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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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diesmal würde er klüger vorgehen, er hatte aus seinem Fehler gelernt. Bald würde sie ihm gehören, dessen war er sich sicher. Sein Blick fiel auf den aufgeschlagenen Gedichtband und er las:

    Weißt du, wo die Anemonen stehn
    Rotfunkelnd wie ein Feuermeer …
    Ich hab zu tief in die Kelche gesehn
    Und lasse die Sünde nimmermehr.
    (Else Lasker-Schüler)

    Genau, dachte er. Er würde nicht mehr lockerlassen. Der Wolf hatte seine Beute erspäht und sein Jagdtrieb erwachte erneut …

    * * *

5. Kapitel

    »Autsch, verdammt!« Ich fasste mir an den Kopf. Die Stelle, wo mich die späte, herunterfallende Kastanie getroffen hatte, tat ganz schön weh. Ich war auf einem meiner einsamen Spaziergänge. Seit Vios Tod ging ich oft stundenlang raus, auch wenn meine Mutter das nicht gern sah. Immerhin hatte ich ihr versprochen, nicht alleine in den Moorwiesen herumzustreunen, was mir auch ganz recht war. Unser Hochsitz, der ab jetzt nur noch »mein« Hochsitz sein würde, machte mir Vios Tod nur umso quälender bewusst. Stattdessen durchstreifte ich die Gegend hinter unserer Wohnsiedlung. Herbstzeitlosenland. Die Wiesen waren getupft mit den zartvioletten Klecksen der letzten Blumen des Jahres. Ich musste mit niemandem reden und war nach ein paar Stunden so müde, dass Vios Fehlen mir nicht mehr als scharfe Spitze ins Herz fuhr, sondern dumpf wurde und die Stiche ins Herz wie durch Schaumstoff kamen.
    Meine Füße liefen wie von selbst vorwärts und es war mir gelungen in eine Art Trancezustand zu verfallen. Bis mich die Kastanie erwischte und unsanft in die Gegenwart zurückbeförderte. Ich bückte mich und nahm die stachelige Kugel vorsichtig in die Hand. Behutsam brach ich sie auf und betrachtete die Kastanie, die sich braun glänzend und wie poliert in das schneeweiße Innere der Hülle schmiegte. Auf einmal hörte ich ein Rascheln, das schnell näherkam. Ich blickte auf – und erstarrte augenblicklich.
    Ein riesiger schwarzbrauner Hund trabte direkt auf mich zu. Normalerweise habe ich keine Angst vor Hunden – aber wir reden hier von Dackeln und anderen vierbeinigen Kollegen, die deutlich unter meinem Knie enden. Dieses Exemplar reichte mit seinem vierkantigen Schädel locker bis zu meiner Hüfte. Ich stand da wie ein ausgestopftes Murmeltier und hoffte, der Köter würde mich auch für ein solches halten. Ich bewegte keinen Muskel und versuchte dem Tier telepathisch klarzumachen, dass ich nicht auf seiner Beuteliste stand und es daher ruhig weiterlaufen konnte.
    »Er tut nichts«, hörte ich eine Stimme sagen.
    »Na klar, und die Hölle ist auch nur ’ne Sauna«, dachte ich, ehe mir bewusst wurde, dass ich die Stimme kannte.
    Ich traute mich immer noch nicht, mich zu rühren. Also drehte ich den Kopf nur minimal zur Seite und sah aus dem Augenwinkel etwas Blaues. Grover. Was machte der mit so einem Kampfköter?
    »Das ist Diavolo. Ein Rottweiler-Mischling«, meinte Grover und machte eine förmliche Geste von dem Hund zu mir. »Darf ich vorstellen: Diavolo – Lila.«
    Der Hund hechelte und zeigte dabei den Ansatz eines Gebisses, das jeden Hai neidisch werden ließe. Dass sein Name die italienische Bezeichnung für »Teufel« war, überraschte mich nicht im Geringsten.
    Innerlich starb ich fast vor Angst, aber man soll sich vor Hunden ja nichts anmerken lassen, also versuchte ich meiner Stimme einen normalen Klang zu geben: »Ach so, Diavolo. Ich dachte schon, er hätte einen richtig gefährlichen Namen – Dieter, Horst oder so …«
    Grover lachte. Der Hund saß neben ihm und machte keinen Mucks.
    Ich holte tief Luft und löste mich etwas aus meiner Salzsäulen-Haltung. »Ist das deiner?«, fragte ich Grover.
    Der schüttelte den Kopf. »Ich bin ein- oder zweimal die Woche im Tierheim. Käfige sauber machen, Füttern helfen … und den da Gassi führen.« Grover tätschelte Diavolo.
    Ich beäugte das sabbernde Ungetüm misstrauisch. Der Schädel des Hundes war schwarz und massig und sah aus, als könnte er locker eine massive Tür aus Eichenholz durchbrechen.
    »Diavolo ist der gutmütigste Hund des ganzen Tierheims«, versicherte Grover. »Sein früherer Besitzer hat ihn schlecht behandelt und dann einfach ausgesetzt. Im Tierheim ist er inzwischen Stammgast, keiner will ihn haben. Jetzt ist er schon froh, wenn er mal ein freundliches Wort hört, was Kumpel?«
    Bestätigung heischend legte Diavolo sich platt auf den Boden, bettete den Kopf auf seine riesigen Pranken und sah demütig zu mir hoch. Seine traurigen

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