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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Reserve locken und ihn dazu bringen, dass er über Vios letzten Abend auspackte. Also drückte ich energisch den »Antwort«-Button und tippte:

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: hi

    Hi Till,
    Übergabe der DVD gegen Cola ist gebongt.
    c u @ 3 o’clock
    Lila

    Ich hoffte, dass der kurze Text cool rüberkam. Blieb nur die Frage, was ich morgen anziehen sollte. Ich ging zu meinem Kleiderschrank und mein Blick fiel auf Vios Shirts. Ich zog das knatschgrüne Longsleeve mit einem aufgebügelten Bambi raus. Dann kramte ich mein Portemonnaie raus und zählte nach, ob mein Taschengeld noch für den Kauf eines Push-ups reichte. Morgen würde ich alle Register ziehen.

    Um Punkt zehn nach drei betrat ich das »Azúcar«. Es war wie immer knallvoll. Stimmengewirr, das Klappern von Löffeln auf Untertassen und das Zischen der riesigen Espressomaschine mischten sich mit dem Sound von »Cafédel Mar« aus den Lautsprecherboxen überm Tresen und webten einen Klangteppich, auf dem ich zwischen Tischen und Stühlen hindurchsteuerte.
    Ich hatte Tills Hinterkopf bereits an der Eingangstüre erspäht. Mein Herz donnerte gegen meine Rippen, aber ich versuchte, ein lässiges Gesicht aufzusetzen und alles locker zu lassen. Mit wiegenden Hüften wollte ich zu seinem Tisch schlendern, aber ich fürchtete, meine Schritte sahen eher aus wie die einer Marionette an verknäulten Schnüren. Kurz bevor ich seinen Platz erreichte, drehte Till den Kopf. Sofort machte sich das typisch-selbstbewusste Grinsen auf seinem Gesicht breit.
    »Hi, Lila … oder soll ich dich ›Schlehenherz‹ nennen?«, meinte er, wobei er sich durch seine halblangen, dunkelbraunen Haare fuhr und mich schelmisch mit seinen fast schwarzen Augen anblitze.
    Sein direkter Blick ließ mir den Magen Richtung Kniekehlen rutschen und meine Ohren sanft erglühen – wahrscheinlich in einem dezenten Schweinchenrosa. Meine Stimme hatte ich offenbar gerade eben vorm Eingang des Cafés verloren, denn mein Hals war wie zugeschnürt.
    »’Allo«, brachte ich mühsam raus und ärgerte mich sofort über mich selbst. Ich war nur Vios wegen hier, konnte ich also vielleicht mal cool bleiben?
    Ich riss meinen Blick von Till los und konzentrierte mich darauf, meine Tasche ordentlich unterm Stuhl zu verstauen und aus den Ärmeln der Jacke zu schlüpfen, ohne dabei das ganze Geschirr vom Tisch zu räumen. Sorgfältig hängte ich die Lederjacke über den Stuhl – Vios Lederjacke. Darunter trug ich ihr Shirt, in dessen Ausschnitt der Anubis-Anhänger am Kettchen baumelte. Als ich aufsah, begegnete ich erneut Tills Blick. Diesmal konnte ich ihnnicht deuten: Neugierig? Perplex? Irritiert? Wusste er, dass das Vios Klamotten waren, die ich anhatte?
    »Du siehst echt ziemlich … verändert aus«, sagte Till und sah mich prüfend an.
    Der Push-up!, schoss es mir durch den Kopf. Ob Till das meinte? Ich merkte, wie die Röte drohte, erneut meinen Hals hochzusteigen, deswegen atmete ich tief durch und winkte statt einer Antwort der Bedienung.
    »Einen Macchiato, bitte«, sagte ich und versuchte, an nichts anderes zu denken als an meine »Mission«. Ich musste Till dazu kriegen, mir zu verraten, ob er und Vio die Schulparty tatsächlich getrennt voneinander verlassen hatten. Nur – wie sollte ich das anfangen?
    »Hallo Lila, alles klar bei dir?« Tills Stimme riss mich aus meinen Detektivgedanken.
    »Äh, ja logo«, beeilte ich mich zu sagen.
    »Hast du die DVD dabei?«, fügte ich hinzu und versuchte mich so lässig wie möglich in dem unbequemen Holzstuhl zurückzulehnen.
    Wortlos griff Till in seine Tasche und zog die DVD-Hülle raus, über deren Vorderseite quer der Schriftzug »Das fünfte Element« prangte.
    Er legte sie vor sich auf den Tisch, ich griff danach, doch weil Till gar nicht daran dachte, seine Hand wegzunehmen, berührten meine Finger seine. Durch meine Fingerspitzen zuckte es, wie ein kleiner elektrischer Schlag, und jagte über meinen Arm bis zur Schulter hoch. Verlegen wollte ich meine Hand zurückziehen, doch Till hielt meine Finger fest, sanft, aber unmissverständlich.
    Ein Schauer durchrieselte mich von den Zehen bis zum Kopf, und ich hätte schwören können, dass sogar meine Haare prickelten.
    Vor Jahren hatten Vio und ich mal aus Spaß bei einer dieser viereckigen Batterien unsere Zungen zwischen Plus- und Minuspol gehalten. Das Kribbeln auf der Zunge ließ uns beide kreischen – vor Begeisterung und wohligem Schrecken.
    Genau dieses

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