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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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der Truman Show. Die totale Überwachung.
    »Ich geh dort auch immer gern einkaufen«, referierte Peter Senftlhuber. »Ist einer der besten Weinläden der Stadt. Wussten Sie, dass irgendwo unterm Karlsplatz mehr als eine halbe Million Weinflaschen liegen? Für die Weingalerie, das Restaurant Königshof, die Annabar und Geisels Vinothek? Und da sind ein paar echte Schätze drunter. Die gehen im Königshof für ein paar tausend Euro die Flasche auf den Tisch. Eine halbe Million Flaschen. Mitten im Stadtzentrum. Ich werd immer ganz ehrfürchtig, wenn ich dort vorbeilaufe.« Peter Senftlhuber schwieg andächtig, dann stand er auf, kam zu mir und gab mir Hand.
    »Danke für den Wein. Ich bin übrigens der Peter.«
    »Keine Ursache, Peter. Gern geschehen. Daniel.«
    Vielleicht war Peter Senftlhuber doch nicht so ein Arschloch, wie ich vermutet hatte. Wir verabschiedeten uns. Ich hatte die Tür schon in der Hand, als er mir hinterherrief:
    »Ach … übrigens … bei deinem Gehalt, da hast du richtig schlecht verhandelt.« Ich schaute mich fragend um. Peter Senftlhuber grinste listig von seinem Schreibtisch herüber.
    »Die Selbstauskunft.« Er sang das Wort beinahe.
    Vielleicht war Peter Senftlhuber doch genau das Arschloch, das ich in ihm vermutet hatte. Ich zuckte die Schultern und ging. Was er wohl erst sagen würde, wenn er herausfand, dass ich in der Selbstauskunft ein bisschen geschummelt hatte. Zu meinen Gunsten. Ich war wütend. War es nicht eigentlich strafbar, wenn ein Makler Informationen aus der Selbstauskunft an unbefugte Dritte weitergab? Trotzig dachte ich daran, zur Polizei zu gehen. Doch so wie die Dinge hier in München liefen, würde der Beamte, der die Anzeige aufnahm, garantiert ein alter Schulfreund von Alois und Peter sein. Hier kannte offensichtlich jeder jeden. Kein Wunder, dass bei derart mafiösen Zuständen München den Ruf als nördlichste Stadt Italiens weghatte. Willkommen in der Familie.

10. Kapitel: In welchem die innere Uhr eines Berliners mit dem bayerischen Zeitmanagement vertraut gemacht und richtig eingestellt wird
    Ich hatte erwartet, dass mit Arbeitsbeginn das Leben in München ein wenig an Fahrt gewinnen würde, dass sich die Schlagzahl allein durch den nun bestimmt einkehrenden Arbeits- und Alltagsstress erhöhen würde. Tat sie aber nicht. Im Gegenteil. Zwar schimpften alle im Verlag ständig darüber, wie viel sie zu tun hätten, und gedachten der guten alten Zeit, in der alles schöner, besser, einfacher und überhaupt gewesen sei, doch die Wirklichkeit war eine andere. Die Wirklichkeit war ein gemütliches Chaos.
    Gemessen an den Umsatzzahlen und dem Renommee des Verlages, hatte ich mir eine gut geölte Wirtschaftsmaschine vorgestellt, in der ein Rad ins andere griff. Strukturiert, planvoll, professionell, erfolgreich. Strukturiert war allenfalls die Mittagspause, planvoll die Verabredungen nach Feierabend, professionell vor allem die Geschwindigkeit, mit der viele Kollegen alle zehn Minuten ihren Facebook-Status aktualisierten, um der Welt mitzuteilen, dass sie einen Kaffee trinken gehen, in einem Meeting steckten, dringend telefonieren müssten oder mal auf die Toilette. Kein Wunder also, dass die Redaktionsleiter und das Management ständig stöhnten, wie viel Geld sie ihren unfähigen Redakteuren und Autoren für unfassbar schlechte Ideen und die grauenvollen Texte bezahlen mussten. Das Marketing verfluchte jede Entscheidung des Managements, selbst wenn sich das Management entschloss, die Vorschläge aus der Marketingabteilung zu hundert Prozent umzusetzen. Die Anzeigenabteilung schmollte, da keiner, wirklich keiner, sie leiden konnte. Die Folge war ein merkwürdiger Selbsthass, den die Anzeigenabteilung an den Tag legte und den ich bisher nur von Berliner Busfahrern kannte, die man nach einer Station auf ihrem Weg durch die Stadt fragt. Ganz anders ging es den Kollegen im Vertrieb, sie sahen sich als heilige Samariter, ohne deren aufopferungsvolle Tätigkeit der ganze Laden schon längst hätte dichtmachen müssen. Die Redakteure wiederum hielten ihre Arbeit für derart brillant, dass nicht einmal die vernichtenden Fähigkeiten aller anderen Abteilungen den Erfolg des Verlages untergraben konnten. Überhaupt glaubten die Redakteure, dass sie jede, wirklich jede Arbeit im Verlag besser erledigen würden als die dafür vorgesehenen Personen. Die meisten hielten sich für Geistesgrößen, deren Genie der Zeit so weit voraus war, dass es niemand erkennen konnte. Was

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