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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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Sonntag roch es anders. Nach frisch gebackenem Kuchen. Frau Pschierer hatte uns nach unserem Einzug noch dreimal auf einen Kaiserschmarrn eingeladen. Eigentlich immer, wenn sie einen von uns zufällig im Treppenhaus zu Gesicht bekam. Heute war es endlich so weit. Und wenn der Kaiserschmarrn nur halb so gut schmeckte, wie er roch, hatten wir nichts zu fürchten. Francesca hatte sich fest vorgenommen, Frau Pschierer unbedingt nach dem Rezept zu fragen, um damit bei Gelegenheit ihre italienische Sippe zu bekochen.
    »Das riecht fantastisch«, sagte ich. »Wunderbar, herzlichen Dank noch mal für die Einladung«, bemerkte auch Francesca, während Oskar ins Wohnzimmer stürmte. Er kannte sich ja hier bereits aus.
    »Ah, gell. Des freut mich, dass Sie Zeit gefunden haben. Gehn S’ doch in die Stubn nei und nehmen S’ Platz. Mit dem Kaiserschmarrn dauert’s noch a weng. Trinken S’ lieber oanen Tee oder Kaffee?« Lieber Kaffee. »Und der Oskar?«
    »Haben Sie einen Saft?«, fragte Francesca. »Apfel oder Orange?«, lautete Frau Pschierers Angebot.
    »Orange«, meldete sich Oskar aus dem Wohnzimmer. Merkwürdig, wie gut Kinder hören können, wenn sie hören wollen.
    »So a herziger Bua … jetzt gehn S’ aber nei und machen S’ sich bequem.«
    Die Stube sah nicht aus wie eine Stube. Einzig ein bunt bemalter Bauernschrank und das mächtige grüne Sofa passten in die Vorstellung, die ich mir von der Einrichtung gemacht hatte. Vor dem Sofa stand ein asiatisch anmutender Massivholztisch. An der Wand stand eine mächtige Schiffstruhe mit schweren Messingbeschlägen. Im Regal daneben entdeckte ich eine aus dunkelbraunem Holz geschnitzte Giraffe, die offenbar aus Afrika stammte. Daneben lag eine Schildkröte aus Ton. An den Fenstern hingen orientalisch gemusterte Vorhänge. Nach weißer Spitze suchte ich vergebens. Hinzu kamen Dutzende Fotos von den berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Welt. Das Taj Mahal in Indien. Die Pyramiden in Mexiko. Die Golden Gate Bridge in San Francisco. Sogar die Verbotene Stadt war auf einem der Bilder zu erkennen. Auf manchen der Bilder sah man die junge Frau Pschierer, die strahlend in die Kamera lachte. Manchmal stand ein kräftiger Mann neben ihr, mit dichten dunklen Haaren und einem markanten sonnengegerbten Gesicht. Ihr Mann?
    »Schau mal, dieser schöne Topf da«, bemerkte Francesca und zeigte auf eine Art Suppenterrine mit Deckel. Nur, dass diese Terrine aus Holz war. Frau Pschierers Wohnzimmer war ein buntes Sammelsurium von schönen Dingen und Nippes aus aller Welt. »Sieht irgendwie überhaupt nicht bayerisch aus, oder?«, flüsterte ich zu Francesca. Sie nickte. Frau Pschierer kam mit dem Kaffee und schenkte uns ein.
    »Frau Pschierer, wo haben Sie nur all diese Sachen her?«
    »Das meiste hat mein Mann von seinen Reisen mitgebracht. Er war Schiffsmechaniker, müssen Sie wissen. Der Tisch zum Beispiel«, sie zeigte auf den massiven Couchtisch zu unseren Füßen, »das ist ein Kang-Tisch. Der stammt aus Indonesien.« Francesca und ich staunten, und Frau Pschierer erklärte uns, woher die Möbel oder Skulpturen kamen. Die merkwürdige hölzerne Suppenterrine entpuppte sich als antiker Reisbehälter.
    Der Kaiserschmarrn von Frau Pschierer schmeckte noch besser, als er roch.
    »Wie machen Sie das bloß. Können Sie mir bitte das Rezept verraten? Das muss ich haben!«
    Frau Pschierer lachte. »Naa, des is an altes Familienrezept. Des derf i net hergeben. Wenn S’ den Kaiserschmarrn mögn, können S’ ja gerne immer wieder bei mir vorbeischauen.«
    Francesca bemühte sich noch eine Weile, doch das Geheimnis ihres Kaiserschmarrns war Frau Pschierer nicht zu entlocken.
    »Ihr Mann fuhr also zur See? Kam er von hier oder aus dem Norden?«, wechselte ich das Gesprächsthema.
    »Der Michi? Der is in Passau geboren.«
    »Ein bayerischer Matrose. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt.«
    »Ja mei. Bei ihm daheim fanden das auch alle merkwürdig. Seine Mutter hat eine Woche lang geweint, nachdem er verkündet hatte, dass er zur See fahren würde und monatelang von daheim weg sein würde. Aber er konnte nicht anders. Er wollte die Welt sehen.«
    »Und wie haben Sie sich kennengelernt?«
    »Lachen Sie nicht. Des war in Indien. Er lag mit seinem Frachter dort vor Anker, und ich machte mit einer Freundin Ferien. Er hat mich gesehen, ist zu mir gekommen und hat gesagt: ›I bin der Michael.‹ Für mich hat sich des angehört, als hätt er gesagt: ›I bin dein Mo.‹«
    »Mo?«, flüsterte

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