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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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»Das Beste kommt erst noch: Ich habe Frauen gesehen, die waren beim Laufen geschminkt.«
    »Seit wann erkennst du, dass eine Frau geschminkt ist?«, fragte Francesca skeptisch.
    »Ich sag’s dir. Die werfen sich derart in Schale, als ob es gar nicht darum geht, zu laufen, sondern zu flirten. Die gucken auch immer so zu einem. München gilt ja nicht umsonst als Single-Hochburg. Ich glaub, fünfzig Prozent der Münchner leben allein. Irgendwie müssen die ja mal unter die Haube kommen. Gott sei Dank bin ich durch die magische Kraft meines Eheringes vor derlei Avancen geschützt.«
    Das nächste Mal lief Francesca mit. Sie hatte Frau Pschierer gefragt, ob sie für eine Stunde auf Oskar aufpassen könnte, worüber diese sich sehr gefreut hatte. Wenn ich den Gesichtsausdruck von Oskar richtig interpretiert hatte, beruhte die Freude nicht auf Gegenseitigkeit. Doch Francesca hatte ihm ein neues Spielzeugauto für seinen in meinen Augen bereits viel zu stattlichen Fuhrpark versprochen, sollte er sich folgsam in sein Schicksal fügen.
    Diesmal überpowerte ich beim Laufen nicht. Gott und Francesca sei Dank. Und neben der magischen Kraft meines Eheringes beschützen mich auch die mal herausfordernden, mal giftigen Blicke Francescas vor den Avancen topgestylter Joggerinnen. Francesca war nach unserer Runde fassungslos und hatte schlechte Laune, wie ich auf dem Weg zurück nach Hause zu spüren bekam.
    »Ich war überhaupt nicht richtig angezogen«, maulte Francesca, die mit Sportklamotten genauso ausgestattet war wie ich. Eher so die klassische Baumwollschule.
    »Wieso? Das war doch ein guter Lauf. Ich fand’s prima«, versuchte ich die Wogen der Erregung zu glätten.
    »Aber alle anderen Frauen auf der Strecke waren viel besser angezogen als ich.«
    »Das ist doch egal. Es geht doch ums Laufen. Hauptsache, man hat Spaß und tut was Gutes für sich.«
    Am nächsten Tag ging Francesca einkaufen und gab dabei sehr viel Geld aus. So, wie es sich für eine echte Münchnerin gehört. Als sie von ihren Beutezug zurückkam, präsentierte sie mir jedoch nicht als Erstes ihre neuen Laufklamotten, sondern eine fußballgroße Hirschfigur. Pinkfarben. Über und über mit Glitzer überzogen. Bayerischer Kitsch im trendigen Lifestyle-Gewand. Der funkelnde Hirsch war mir bereits in den Schaufenstern einiger Geschäfte in der Nähe aufgefallen.
    »Was ist das denn?«
    »Das ist ein Hirsch!«, erklärte Francesca stolz das Offensichtliche. Warum der Hirsch aussah, als wäre er in einen Eimer Lipgloss gefallen, behielt sie für sich.
    »Das ist doch kein Hirsch! Das ist …« Ich rang nach Worten. »Du kannst das da ja mal dem lieben Rieger Schorsch zeigen. Der kennt sich mit Rotwild aus, und der wird dir sagen, dass das da kein Hirsch ist.«
    Wenn Bruce Darnell für eine Woche den lieben Gott vertreten dürfte, dann würden Hirsche vielleicht so aussehen wie dieser da. Aber dann würden Handtaschen auch leben. Und Laufen in High Heels mit Fünfzehn-Zentimeter-Absätzen wäre Pflichtfach an der Schule. Auch für die Jungs.
    »Gefällt er dir etwa nicht? Mir gefällt er sehr!«, meinte Francesca und drehte den Hirsch hin und her, damit ich das Elend von allen Seiten betrachten konnte.
    »Was sollen wir denn damit?«, jammerte ich.
    »Der kommt auf unsere Kommode im Schlafzimmer«, erklärte Francesca vergnügt.
    »Ins Schlafzimmer!« Die Vorstellung, in meinem Schlafzimmer von einem pinkfarbenen Glitzerhirsch angegafft zu werden, behagte mir gar nicht. Es hatte vor einigen Jahren bereits einmal eine längere Diskussion um Familienfotos auf dem Nachtschrank gegeben. Vor allem die Schwiegermutter musste ich dort nicht haben. »Auf keinen Fall kommt der Hirsch ins Schlafzimmer!«
    »Wieso denn nicht?« Francesca schaute mich herausfordernd an.
    »Dieser Hirsch hat eine sehr impotente Aura. Ich spüre das! Ich kann nicht, wenn er zuguckt«, versuchte ich ihr zu drohen. Doch Francesca ließ es drauf ankommen.
    »Ach, das werden wir ja sehen.«

14. Kapitel: In dem zusammenpasst, was eigentlich nicht zusammengehört, und die bayerische Logik das Gehirn eines Berliners arg strapaziert
    Im Leben von Anneliese Pschierer gab es drei Regelmäßigkeiten: Immer dienstags schleppte ihr ein junger Mann vom Getränkeservice eine Kiste Bier in die Wohnung. Abends hörte sie gerne Jimi Hendrix, The Doors und andere Klassiker der siebziger Jahre. Und außerdem roch es vor ihrer Wohnung meist nach Räucherstäbchen, irgendeine fiese Kräutermischung. Heute am

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