Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
Vom Netzwerk:
am Kärlingerhaus ging es weiter bis nach St. Bartholomä, wo wir mit dem Schiff zurück zur Ortschaft Schönau fahren würden, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung. Doch zuvor wartete noch ein Highlight auf uns, die Saugasse. Eine Felsschlucht, in der sich der Weg in kleinen steilen Serpentinen durch einen grünen Pflanzenteppich schlängelte. Hatten wir uns durch die vierte Dimension in einem südamerikanischen Dschungel verirrt? Wir waren doch nur drei Autostunden von München entfernt.
    In St. Bartholomä hatte uns die Wirklichkeit wieder. Die malerische Kirche mit den roten Zwiebeltürmen war ein Muss für Bayernbesucher. In unseren verdreckten Wanderklamotten wirkten wir hier mehr als fehl am Platze. Ich fühlte mich fremd zwischen den Touristenmassen und wäre am liebsten umgekehrt. Ich war froh, als wir endlich in Schönau angekommen waren, im Auto saßen und den durchorganisierten Touristenwahn hinter uns lassen konnten.
    »Du solltest erst mal sehen, was oben auf der Zugspitze los ist«, meinte Max, nachdem wir losgefahren waren.
    »Ich war da!«, bekannte ich. Francesca hatte die Idee gehabt. Und Oskar war natürlich begeistert gewesen von der Vorstellung, auf den höchsten Berg Deutschlands zu gehen. Besser, zu fahren, mit der Seilbahn. Was wir nicht wussten, war, dass die Zugspitze nichts mehr mit einem Berg gemein hat. Die überfüllten gigantischen Aussichtsplattformen hatten uns erschreckt. Auf allen vieren gehend, teilweise in Sandalen, machten sich die Leute auf, um von den gesicherten Plattformen zum Gipfelkreuz zu gelangen und von dort die Liebsten anzurufen. Die Telekom grüßt freundlich von einem großen Werbeplakat. Ein unwirkliches Spektakel. Ständig erreichten auch normale Wanderer, die sich auf einem der drei Wege ein paar Stunden lang hinaufgequält hatten, die Gipfelstation. Wie Verirrte suchten sie nach der Anstrengung etwas, das es tagsüber auf der Zugspitze nicht gab: ein ruhiges Plätzchen. Das war in den letzten vier Tagen, vor allem gestern im Steinernen Meer, ganz anders gewesen.
    »Und kommst des nächste Mal wieder mit?«, wollte Max wissen.
    »Auf jeden Fall«, antwortete ich, ohne zu zögern.
    »Ja, da schau her«, freute sich Max. »Siehgst es, jetzt bist scho fast a halber Münchner!«
    Komisch, noch vor einem Jahr wäre das eine Beleidung für mich gewesen. Jetzt aber dankte ich für das Kompliment. »Und was muss ich machen, um ein ganzer zu werden?«
    Max schaute mich schelmisch an. »Na, deine erste Wiesn überleben!«
    Wiesn? Stimmt, das hatte ich vollkommen vergessen. In drei Monaten stand ja das größte Massenbesäufnis der Welt an, auf der Münchner Theresienwiese. Weshalb der Münchner auch Wiesn zum Oktoberfest sagt. Ich grinste selbstzufrieden. »Ich glaube nicht, dass es für mich ein Problem wird, das Oktoberfest zu überleben. Ich habe nämlich gar nicht vor hinzugehen«, erklärte ich Max. Doch was nützen einem die besten Absichten, wenn das Leben ganz andere Pläne mit einem hat.

20. Kapitel: In welchem Besuch aus Berlin eintrifft und das schwierige Verhältnis der Bayern zur Revolution erläutert wird
    »Nekstolt Odnsbloz«, ertönte die Ansage aus dem Lautsprecher der U-Bahn.
    »Ich wusste gar nicht, dass die Münchner U-Bahn-Fahrer auch Klingonisch sprechen! Was hat der da gerade gesagt?« Seit zwei Stunden war Thomas nun schon in München. Und er ließ keine Gelegenheit aus, mich zu foppen.
    »Nächster Halt Odeonsplatz«, knurrte ich halbwegs verständlich zurück.
    »Wow, du kannst ja auch schon Klingonisch!«, knuffte mich Thomas vergnügt.
    Da es in München keine Musikanten in der U-Bahn gibt – sie sind vom Wachpersonal ungefähr ebenso gern gesehen wie Bikini-Girls auf einem Wochenmarkt in Teheran –, haben die Fahrer der U-Bahnen freundlicherweise die Aufgabe übernommen, die Fahrgäste zu unterhalten. Leider funktioniert das nur noch in den alten U-Bahn-Wagen, in denen es noch keine automatische Ansage gibt. Der bullige bayerische Akzent, gepaart mit dem dumpfen Scheppern der uralten Lautsprecheranlage, klingt in etwa so, als würde ein Wal in einer Mülltonne husten.
    Thomas fand München »richtig schön«. Und »am schönsten« fand er, dass er in zwei Tagen wieder wegfahren durfte. Ich hatte mich auf seinen Besuch gut vorbereitet und wollte seinen ständigen Schmähungen mit gutem Essen, Natur pur und a bisserl Dekadenz begegnen, der irdischen Dreifaltigkeit des Münchner Lebens. Sollte das alles nicht helfen, konnte ich ihn zur Not

Weitere Kostenlose Bücher