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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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jeder immer eine Flasche Schnaps bei der Hand? Obwohl es nur zehn Minuten dauerte, bis mir das Wort »Oachkatzl« einigermaßen geschmeidig über die Lippen kam, sollte mein Martyrium erst beginnen. Zufrieden über den Erfolg seiner Bemühungen steigerte Georg Rieger nämlich den Schwierigkeitsgrad. Aus dem »Oachkatzl« wurde ein »Oachkatzlschwoaf«, wobei es sich anscheinend um den Schwanz des Oachkatzls handelte. Danach ging es weiter mit Wörtern wie »kerndlgfuadad«, »scheaßeln«, »Gschwerlf«. Jedes Mal, wenn ich mehr als fünf Versuche für einen Begriff brauchte, gab’s einen Schnaps vom Herrn Oberlehrer.
    »Des heißt Kirta.«
    »Was heißt denn des?«
    »Des heißt Kirchweih!«
    »Wieso sagen S’ dann net einfach Kirchweih?«
    »Ah gell, ned vom Thema ablenken, Sie Schlaucherl. Also no amoi: Kirta. Ganz hell muss es klingen. Mit einem schön gegurrten R.«
    Eine Stunde später schleppte ich mich nach oben. Francesca war bereits ins Bett gegangen. Ich war erschüttert über derlei Sorglosigkeit. Schließlich hätte mir beim Rieger Schorsch ja sonst was passieren können. Müde und angetrunken legte ich mich ebenfalls hin.
    »Und? War’s schön?«, hörte ich Francesca im Schlaf murmeln.
    »Schön? Ich war gerade mehr als eine Stunde in den Fängen eines wahnsinnigen Sprachfetischisten. Ob ich das schön fand?«
    »Du hast zu viel getrunken!«
    »Ich wurde gezwungen.«
    »Das behauptest du immer.«
    »Hey, sag doch mal bitte ›Oachkatzlschwoaf‹!«
    »Wie bitte?«
    »Komm schon, sprich mir einfach nach: Oachkatzlschwoaf.«
    »No, non voglio – das will ich nicht.«
    »Wieso nicht?.«
    »Das Wort klingt unanständig. Und ich sage keine unanständigen Sachen.«
    »Es handelt sich dabei um den Schwanz eines Eichhörnchens. Der Rieger Schorsch hat ein paar tolle Fotos davon gemacht.«
    Mit einem Mal war Francesca hellwach und richtete sich auf. »Ma come? Der Mann fotografiert die Geschlechtsteile von Eichhörnchen? Und dann zeigt er die Bilder auch noch her? Das ist ja pervers.«
    »Nein! Um Himmels willen. Ich meinte, den Schwanz hinten, den Schweif!«, beeilte ich mich zu erklären. Erleichtert ließ sich Francesca fallen. So ganz zufrieden war sie dennoch nicht: »Non lo so – ich weiß nicht. Ich meine du hast heute wirklich den ganzen Abend bei einem fremden Mann gesessen und dir Bilder von Eichhörnchen angeschaut?«
    »Ich kann halt einfach nicht Nein sagen!«, erklärte ich matt. So wie Francesca es formulierte, klang es in der Tat nach einer etwas bizarren Abendgestaltung. Dabei waren Georg Rieger und ich jetzt keine dicken Freunde geworden. Und wie es sich in den nächsten Tagen und Wochen erweisen sollte, war er auch nicht wirklich freundlicher geworden. Er blieb ein bärbeißiger grummelnder alter Mann, der seine Regenwolke mit sich herumschleppte. Ich wusste von da an nur, wogegen er auch immer seinen persönlichen Kampf führte, ich und die anderen Bewohner des Hauses waren es nicht. Und dennoch beschloss ich an jenem Abend, in Zukunft stärker zu sein. Und Nein zu sagen, wenn ich Nein meinte.

24. Kapitel: In welchem ein Berliner nicht Nein sagen kann, weil er erst gar nicht gefragt wird
    Dass das Oktoberfest vor der Tür stand, merkte ich vor allem daran, dass in immer kürzer werdenden Abständen Freunde aus Berlin bei uns anriefen, um sich zu erkundigen, wie es uns denn so ginge. Und ob man sich nicht mal wiedersehen wolle. Demnächst. Sie würden auch gerne die weite Reise nach München auf sich nehmen, falls wir nicht vorhatten, in naher Zukunft mal wieder nach Berlin zu kommen. Zwei Wochen vor Beginn des Oktoberfestes riefen sogar Leute bei mir an, bei denen ich mich schwertat, mir zum genannten Namen ein Gesicht vorzustellen. Kein Wunder, ich hatte diese »Freunde« seit Jahren nicht mehr gesehen. Woher wussten die überhaupt, dass ich in München lebe?
    »Na, auch schon ausgebucht?«, fragte mich Max in einer unserer Mittagspausen.
    »Ausgebucht? Wieso?«, antwortete ich.
    »Hat sich noch keiner bei dir fürs Oktoberfest eingeladen?«
    Mir dämmerte, worauf Max hinauswollte. »Ahhh … Ich glaub, versucht haben es die werten Freunde schon. Aber bisher konnte ich noch jeden abwimmeln.«
    »Klassisches Oktoberfest-Stalking! Bei mir geht’s immer scho drei, vier Monate vorher los. Vor fünf Jahren mussten wir amoi 36 Leute bei uns unterbring’n. An einem Wochenende. Die san einfach alle vorbeigekommen, ohne vorher Bescheid zu sagen. Und die Familie koanst ja net rausschmeißa.

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