Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Obwohl’s mir bei dem einen oder anderen schon jucken däd.«
»Wie hast du 36 Leute in deinem Haus untergebracht?«
»Zelte im Garten«, zuckte Max mit den Schultern. »Und die Kinder lagen zu siebt alle schön eng im Baumhaus zusammen. Da hatten’s wenigstens warm.«
Dass das Oktoberfest ein Besuchermagnet war, wusste ich. Was ich jedoch nicht wusste, war, dass das Oktoberfest das gesamte Stadtleben für zwei Wochen komplett verändert und auch die meisten Münchner Haushalte ordentlich durcheinanderbringt. Wie eben jenen von Max. Dass es meinen Haushalt ebenfalls treffen würde, erfuhr ich drei Tage später.
»Sag amoi, hoast noch immer keine Gäste fürs Oktoberfest?«, fragte mich Max.
»Nee.«
»Und du hast doch scho auch a Gästezimmer in deiner Wohnung?«
»Jaaa. Es ist aber sehr klein.« Mir schwante Schreckliches. »Eigentlich ist es mehr ein Arbeitszimmer für Francesca, in dem zufällig auch eine Couch drinsteht.«
»Wie viel Leut passen denn da nei? Wenn man sie richtig sortiert?«
Ich war fassungslos: »Max, du kannst mir nicht einfach deine Gäste aufs Auge drücken.«
»Jetzt komm scho, stell die net so oa. Du hast niemanden da. Hotelzimmer gibt’s seit oanem Jahr keine mehr, und des san alles nette Leit.«
»Wieso bringst du die nicht bei dir unter? Sind dir die Zelte ausgegangen, oder was?«
»Na, Platz hätt i scho ghabt, aber i hoab a Wette verloarn. Und wegen dera Wette muss i noch a paar mehr Leit beherbergen, und deswegen hob i jetzt koanen Platz mehr dahoam«, erklärte mir Max sein Unglück.
»Was war das denn für eine Wette?«
»Ein Trinkspiel. Des wuist net wissen«, versuchte Max meine Neugier abzuwehren.
Wollte ich doch. Und da Max auch etwas von mir wollte, konnte ich ihn zwingen, seine Geschichte preiszugegeben. Er und sein Freund Rainer hatten Fußballsaufen gespielt. Das Spiel geht so: Jeder Spieler bekommt einen Namen zugelost. Dann schaut man entspannt Fußball. Jedes Mal, wenn während der Übertragung der zugeloste Spieler vom Kommentator genannt wird, ist ein Kurzer fällig. Max hatte beim Losen Pech gehabt und den Torhüter erwischt, der an diesem Tag besonders viele Schüsse zu halten hatte. Er musste schon in der Halbzeitpause aufgeben.
»Der Rainer hat mich aufs Kreuz gelegt. Der hatte so einen Schnaps dabei, den ihm seine Putzfrau zu Weihnachten geschenkt hatte. Irgendwas Selbstgebranntes. Mit einer Schlange drin.« Ein Schnaps mit einer eingelegten Schlange? Mir lief ein leichtes Frösteln über den Rücken. Auch Max schüttelte sich bei dem Gedanken an sein Debakel nachträglich.
»Jedenfalls muss i jetzt sechs Freunde von ihm während der Wiesn unterbringen. Und hab deswegen koa Platz mehr für meine Verwandtschaft net.«
»Mann, ist das kindisch. Bist du nicht ein bisschen zu alt für Trinkspiele?«, fragte ich Max.
»Nicht, wenn ich sie gewinne«, beschied mir Max. Wir schwiegen eine Weile, bis ich Max endlich erlöste: »Wie viele Leute sind es denn?«
»Drei«, antwortete er. »Meine beiden Brüder und ein Freund von ihnen.«
»Und sie bleiben drei Tage?«
Der Blick von Max hellte sich auf. Er nickte. »So ham’s des gsagt!«
»Ham’s des so gsagt?«, hakte ich nach. »Oder bleiben sie drei Tage?« Mittlerweile wusste ich, bei welchen Formulierungen von Max ich besonders aufpassen musste.
»Okay, ich werd’s ihnen einbläuen. Drei Tage. Von Freitagabend bis Sonntag. Versprochen. Du bist a Guada.« Mit diesen Worten stürzte er sich auf mich, schlang seine kräftigen Arme um mich, um mir vor Rührung die Rippen zu brechen.
»Ich hab noch nicht Ja gesagt. Ich muss erst mit Francesca sprechen«, beschwichtigte ich seine für meine Knochen extrem gefährliche Euphorie. Max ließ mich frei, lachte sein dröhnendes Lachen und sagte nur:
»Des wird a Gaudi, des sog i dir!«
Als ich nach Hause kam, empfing mich Francesca mit einem strahlenden Lächeln.
»Und, freust du dich auch schon auf unser freies Wochenende im Oktober? Wo fahren wir denn hin?«
»Freies Wochenende? Wieso?«
»Na, Max hat doch versprochen, den Oskar ein Wochenende zu sich, Anna und den Jungs zu nehmen, weil wir ihm bei seinen Freunden zum Oktoberfest helfen. Da können wir zwei endlich mal wieder allein irgendwohin fahren.«
Mit dem Umzug nach München hatte sich für uns ein Umstand ergeben, dem wir bei der Planung wenig Beachtung geschenkt hatten. Wir standen mit einem Mal ohne meine Eltern da, die am Wochenende eigentlich gern ihren großelterlichen Pflichten
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