Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
nicht kommen konnte.
Max klang, als hätte er den gestrigen Abend nicht auf der Wiesn, sondern im Wellness-Hotel verbracht, und statt drei Maß Bier nur Kombucha bis zum Abwinken getrunken.
»Max, ich schaff’s heute nicht ins Büro.«
»Schon klar, kein Thema. Hoast oan schlimmen Kater?«
»Mmmh.«
»Trink a rohes Ei. I mach des seit Jahren. Des hilft immer. Ein rohes Ei, hörst?«
Das mit dem rohen Ei hätte Max nicht sagen dürfen. Ich spürte, wie die Übelkeit meinen Magen und die Speiseröhre emporkletterte. Ich legte das Telefon schnell beiseite und übergab mich in den Eimer, der neben dem Bett stand. Wie kam der hierher? Den musste wohl Francesca vorsorglich hingestellt haben. Wie war ich gestern eigentlich nach Hause gekommen? Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Am Telefon wurde Max unfreiwillig Zeuge meines kritischen Zustandes.
»Sog amoi, hast du etwa grad gespeibt? … Des is ja widerlich. … Hat’s dich so schlimm erwischt?«
»Max, tut mir echt leid, ich meld mich später wieder bei dir!« Ein Glück, dass er das Elend nur hören, nicht jedoch riechen konnte.
»Ja mei … des wird scho wieder … bis morgen«, sagte Max. Noch während er den Hörer auflegte, brüllte er zu den anderen Kollegen im Büro: »Den Wiechmann hat’s total zerrissen.« Danke, Max.
Gott sei Dank folgte dem Donnerstag, den ich beinahe komplett in die Matratze gedrückt hatte, nur ein kurzer Freitag im Büro, begleitet vom wissenden Lächeln vieler Kollegen. Wie ich erfuhr, war ich nicht der einzige Ausfall gewesen, den der Wiesnbesuch gekostet hatte. Willy und Peter hatten es ebenfalls nicht geschafft.
»Die beiden sind noch ins Teufelsrad«, verriet mir Max. Teufelsrad? Auch dabei handelte es sich um eine uralte Wiesn-tradition. Das Teufelsrad war eine leicht angeschrägte Drehscheibe, auf der man gegen die Fliehkräfte ankämpfen musste. Und wenn man wollte, auch noch im Spaß-Boxkampf gegen einen selbst gewählten Gegner. So wie Peter und Willy.
»Wie isses denn ausgegangen?«
»Abbruch des Kampfes durch technischen K. O. Bevor auch nur einer den andren hat treffa können, sans von der Scheibn geflogen«, zuckte Max mit den Schultern. Er hatte sich von dem Kampf offenbar mehr erhofft. »Wennsd nach dem Schichtl net schlappgemacht hättest, hättest dem Peter g’scheid ein paar neilangen können«, bemerkte Max. Anscheinend war ihm die gegenseitige Abneigung, die wir pflegten, nicht verborgen geblieben. Ich hatte jedoch ein ganz anderes Problem.
»Wie bin ich eigentlich nach Hause gekommen?«
Max grinste und kramte sein Handy aus der Tasche. Er hatte das Elend von Anfang bis Ende dokumentiert. Die Bilder waren schrecklich. Besonders das, auf dem ich einen Polizisten küsste. Ich verfluchte den Erfinder der Handykamera. Wusste der eigentlich, wie viel Unglück er damit über die Welt gebracht hat?
»Wärst du so freundlich, die Bilder zu löschen? Ich fände es sehr unangenehm, wenn die in falsche Hände geraten. Ich würde ungern als Witz im Internet enden!« Dass ich bereits seine Hände zu den falschen rechnete, sagte ich nicht.
»Wos krieg i denn dafür?«
»Was willste denn? Ich hab an diesem Wochenende schon deine Oktoberfest-Gäste an der Backe.«
Das schien Max zu überzeugen. »Lösch die Bilder doch selber!«, forderte Max mich auf. »Und an deiner Stelle würde ich heute einen Blumenstrauß mit nach Hause bringen. Einen großen.« Danke, Max.
26. Kapitel: In welchem sich Völker sehr intensiv miteinander verständigen und am Ende jemand ganz dringend Schnaps braucht
Am Freitagabend harrten Francesca, Oskar und ich neugierig unseres Besuches. Kurz nach achtzehn Uhr klingelte es endlich an der Tür. Als ich öffnete, blickte ich jedoch nicht in die Gesichter von Michael, Joseph und Anton, sondern in die von Stefano, Matteo, Letizia und Elisa, Francescas Freunde aus Kindertagen. Die fünf waren gemeinsam in den Kindergarten, in die Schule und mit Ausnahme von Matteo auch auf die Uni gegangen.
»Was macht ihr denn hier?«, entfuhr es mir. Vollkommen vergessend, dass die vier noch weniger Deutsch sprachen als ich Italienisch.
»Sorpresa!«, verkündete Letizia. Ja, schöner hätte ich es auch nicht formulieren können. Das war in der Tat eine Überraschung. Bevor ich einen weiteren Satz rausbringen konnte, war Francesca auch schon an mir vorbeigestürmt, und die übliche Begrüßungsorgie begann, bei der sich alle um den Hals fielen, küssten und sich gegenseitig versicherten, wie gut sie
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