Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Gästen sah es bei ihnen so aus, als wollten sie einen ganzen Monat von zu Hause wegbleiben. Die kräftigen Bayern halfen gern beim Koffertragen. Steiner Toni krempelte extra die Ärmel seines Hemdes hoch, damit Letizia, deren Koffer er zu uns ins vierte Stockwerk schleppte, gute Sicht auf seinen schön definierten Trizeps hatte. Ich hasste ihn schon jetzt.
Nachdem das Wohnmobil leer geräumt war, machten sich Francesca und die anderen daran, Tische und Stühle aus dem Weg zu räumen, Betten zu bauen und zu beziehen. Wenig später hatte sich unsere Wohnung in eines der Matratzenlager verwandelt, wie ich sie von den Berghütten von der Wandertour mit Max kannte. Francesca schickte mich zum Einkaufen, um unsere Vorräte der Zahl unserer Gäste anzupassen.
Als ich wiederkam und gerade dabei war, das Auto auszuladen, hörte ich hinter mir eine wohlbekannte Stimme.
»Soll i mit zupackn?« Max war vorbeigekommen, um kurz nach dem Rechten zu sehen und seine Brüder zu begrüßen. Ich nickte in Richtung einer Kiste, die mit Wurst, Käse, Milch und Bier gefüllt war. Oben angekommen, erlebten wir ein wildes Durcheinander. Die Brunner-Brüder spielten mit Oskar an unserem Esstisch im Wohnzimmer Würfeln. Offensichtlich um Geld. »Du schuldest uns schon 2,40 Euro«, erklärte Michael dem verdutzten Oskar gerade. Steiner Toni und Letizia hatten sich aufs Sofa zurückgezogen und betrieben mit einem Kauderwelsch aus Englisch, Italienisch und Bayerisch Völkerverständigung. Wenn sie nicht mehr weiterwussten, zeigte Steiner Toni kurz seine schönen weißen Zähne, und die beiden nahmen einen neuen Anlauf, die vorhandenen Sprachhürden zu überwinden. In der Küche hörte ich vier Personen gleichzeitig reden. Dort mussten die restlichen Italiener stecken.
Das Durcheinanderreden ist etwas, wofür ich Italiener sehr bewundere. Denn sie können dabei nicht nur alle auf einmal etwas sagen, sondern auch alles genau verstehen und dem folgen, was die anderen in der Runde von sich geben. Verrückt.
»Na, du gehst heuer aber richtig in die Vollen«, lachte Max. Als die Brunner-Brüder ihres Jüngsten gewahr wurden, stürzten sie sich auf ihn.
»Servus, oide Wurschthaut, greislige«, begrüßte Michael Max. Hatte Michael seinen Bruder Max gerade als alte Wurstpelle tituliert? Bayerische Herzlichkeit folgte anscheinend genau wie die bayerische Logik ihren eigenen Gesetzen. Nachdem die Brüder sich davon überzeugt hatten, dass alle wohlauf waren, wünschte Max mir viel Spaß und ließ mich in dem Chaos allein zurück.
Obwohl wir erst nach Mitternacht ins Bett gegangen waren, lagen Francesca und ich noch wach und konnten nicht einschlafen. Es war eng im Bett mit Oskar in der Mitte. Er hatte beim Würfeln sein ganzes Taschengeld verzockt, jedoch einen großzügigen Schuldenerlass bekommen. Ich war mir nicht sicher, ob die beiden Brunner-Brüder ehrlich gewonnen hatten oder sich tatsächlich nicht zu schade gewesen waren, einen Vierjährigen zu prellen. Zuzutrauen war es ihnen.
Die Blicke, die der Steiner Toni und Letizia zu später Stunde ausgetauscht hatten, ließen vermuten, dass die beiden sehr an einer weiteren Änderung des Belegungsplans in unserer Wohnung interessiert waren. Doch da war nichts zu machen. Schließlich besaßen wir kein Hotel. Ganz im Gegensatz zu unserem Gast. Wenn ich es richtig mitbekommen hatte, gehörte dem Steiner Toni ein Wellness-Hotel. Er hatte vor fünf Jahren den alten Landgasthof seiner Eltern umgebaut und um einen modernen durchdesignten Trakt mit Schwimmbad und allerhand Pflegekabinen für Massage und Beautybehandlungen erweitert. Ich war mir sicher, dass der Steiner Toni dort genügend Frauen zum Durchkneten fand. Da musste er nicht auch jetzt noch zugreifen.
Durch die Anwesenheit von Stefano, Matteo, Elisa und Letizia hatten sich unsere Pläne fürs Wochenende ebenfalls geändert. Auf keinen Fall wollte sich Francesca den gemeinsamen Wiesnbesuch mit ihnen entgehen lassen.
»Und was machen wir mit Oskar?«, flüsterte ich zu Francesca.
»Der geht tanzen mit Frau Pschierer.«
»Weiß er davon?« Ich schaute auf das leise schnaufende Knäul neben mir.
»Ja, er ist ganz heiß drauf«, meinte Francesca.
»Wie hast du das denn hingekriegt?«
»Youtube.«
»Youtube?«
»Si, certo! Ja, sicher! Seit er mit den Kindern von Max zusammen war, ist er doch ganz scharf aufs Fußballspielen. Und da habe ich ihm ein paar Videos von diesem Messi gezeigt. Du hattest mir doch mal gesagt, das sei wie tanzen,
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