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Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wiechmann
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erst mal«, wehrte ich mich. Schließlich hatte ich einen Ruf zu verlieren, nämlich den, kein mit der Masse blökendes Schaf zu sein, und schließlich hatte ich ja auch einen Plan. Ein bisschen was essen, ein bisschen was trinken. Und wenn die ersten Kollegen gingen, würde auch ich die Gelegenheit ergreifen, mich auf den Weg nach Hause zu begeben. Schließlich mussten wir alle am nächsten Tag wieder arbeiten.
    Drei Stunden später stand ich verschwitzt auf einer Bierbank und sang mit allem, was meine Lunge hergab: »Skiiiiifoaan … Skiiiiifoaan Wohohoh … Skiiiifoan … weil Skifoan is des Leiwanste, was ma sich nur vorstön konn.« Ich hatte zwar noch nie in meinem Leben auf Skiern gestanden und hörte mich wahrscheinlich an wie ein Brüllaffe, der von einem Krokodil in den Po gebissen worden war, aber ich fühlte mich gut. Frei. Keine Ahnung, wieso. Es blieb mir ohnehin keine Zeit, darüber nachzudenken, denn schließlich verlangte die Kapelle von uns bereits: »Und dann die Hände zum Himmel, komm, lasst uns fröhlich sein.« Das ließen sich die Leute im Zelt nicht zweimal sagen. Die Glückseligkeit taumelte von einem Lied zum nächsten. Immer wieder explodierte die Menschenmasse, bis das Prosit der Gemütlichkeit mit dem obligaten »Oans … zwoa …. gsuffa« für eine kurze Pause zum Trinken sorgte. Wunderbar. Vielleicht hätte ich nur nicht anfangen sollen, die vierte Maß zu trinken. Egal.
    Nachdem wir eine halbe Stunde später aus dem Zelt an die frische Luft kamen, war ich erschöpft, müde und ein bisschen betrunken. »Los, gemma zum Schichtl, wir lassen den Wiechmann köpfen!«, hörte ich Max rufen. Ich wusste nicht recht, was von dieser Idee zu halten war. Erstens kannte ich den Schichtl nicht. Zweitens wusste ich daher auch nicht, was genau dieser Schichtl für eine Vorstellung zum Thema Köpfen hatte. Sollte es jedoch dieselbe sein wie die, die ich hatte, dann war ich ziemlich am Arsch. Drittens konnte es aber natürlich auch sein, dass ich mich verhört hatte. Und dass Max gar nicht »köpfen«, sondern etwas ganz anderes gesagt hatte, etwas wie … komischerweise fiel mir kein Wort ein, dass auch nur annähernd eine Ähnlichkeit mit dem Wort »köpfen« hatte. War das möglich? Der deutsche Wortschatz im Duden umfasst schließlich weit über 100 000 Stichwörter. Da musste doch eins dabei sein? Aber war es mir nicht schon oft so ergangen, dass Max etwas gesagt hatte, von dem ich nicht glauben konnte, dass er es gesagt hatte? Und er hatte es eben doch gesagt? Warum also ausgerechnet diesmal nicht? Und wieso wurde ich eigentlich immer betrunkener, obwohl ich doch gar nichts mehr trank?
    »Ich weiß nicht, ob ich das möchte! Das mit dem Köpfen«, lallte ich sicherheitshalber. »A geh, des wird a Gaudi«, meinten die Kollegen und schleppten mich mit. Wie sich herausstellte, handelte es sich beim Schichtl um eine uralte Jahrmarktstradition auf der Wiesn. Da ich nicht mehr über die Kraft verfügte, mich gegen irgendetwas zu wehren, wurde ich ordnungsgemäß zur Köpfung angemeldet. Max versprach, ein Video davon zu machen, wie die Schichtl-Guillotine mir den Kopf vom Hals schneidet. »Schade, dass du dir des hinterher nicht mehr anschauen kannst!«, witzelte er. Dann ging alles ganz schnell. Jedenfalls für mich. Ich bekam einen Sack über den Kopf gestülpt und wurde auf die Guillotine gelegt. Das Raunen im Publikum wurde leiser. Ich merkte mit einem Mal, dass ich richtig einen sitzen hatte. Eigentlich war es ganz schön, hier zu liegen, dachte ich. Endlich schlafen. Die Müdigkeit packte mich. Ich spürte ein kräftiges Rucken und hörte das Geräusch des herabsausenden Fallbeils. Alles um mich herum war schwarz. Und das blieb es auch.
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wünschte ich mir, der Schichtl hätte mir meinen Kopf wirklich abgeschlagen. Dann hätte er nicht mehr so wehtun können. Ich schaute auf die Uhr. Ich hätte vor zwanzig Minuten im Büro sein müssen. Schnell sprang ich aus dem Bett. Keine gute Idee. Schließlich dreht sich die Erde mit einer Geschwindigkeit von 463 Metern in der Sekunde. Und ich hatte über Nacht die erstaunliche Fähigkeit erlangt, jeden einzelnen dieser Meter zu spüren. Ich kippte wieder aufs Bett zurück und wollte nur eines: viel Luft atmen. Zehn Minuten später hatte ich die Hoffnung, dass die erhöhte Sauerstoffzufuhr meinen Kreislauf ankurbeln und die Erddrehung bremsen würde, aufgegeben. Ich musste im Büro anrufen und Bescheid sagen, dass ich

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