Schleichendes Gift
das mit Yousef?«, wollte er wissen.
»Wo sind Ihre Mutter und Ihr Vater?«, fragte Paula.
Sanjar zuckte ungeduldig mit den Schultern. »Meine Mum ist einkaufen gegangen und holt Sachen für den beruhigenden Tee, den sie für Raj machen will. Und am Samstagnachmittag, da ist mein Vater bestimmt unten in der Moschee, trinkt Tee und streitet sich über den Koran.« Sein Gesicht zeigte die ewig mitleidige Verachtung des Kindes für die Eltern. »Er ist der Fromme in diesem Haus.«
»Schön. Wann ist Yousef weggegangen?«, erkundigte sich Paula.
»Nach dem Essen. Mum wollte, dass einer von uns Raj beim Fußballstadion absetzt. Ich musste nach Wakefield rüber, und Yousef sagte, er würde jemanden in Brighouse wegen eines neuen Vertrags treffen.«
Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Paula fragte sich, ob er etwas verheimlichte.
»Wegen eines neuen Vertrags?«, unterbrach Kevin.
»Das Familienunternehmen. First Fabrics. Wir sind im Textilgeschäft. Wir haben mit beiden Seiten zu tun – mit den Textilimporteuren und den Zwischenhändlern, die fertige Ware für den Einzelhandel kaufen. Ich weiß nichts darüber, wen er in Brighouse trifft, es war mir neu. Ist da drüben irgendwas passiert? Hat er mit jemandem Krach bekommen?«
»Wissen Sie, was er fuhr?«, fragte Kevin.
»Den Lieferwagen unseres Cousins Imran: A1 Electricals. Wissen Sie, Yousefs Wagen musste repariert werden, und Imran ist ein paar Tage auf Ibiza, da war es doch praktisch, sich seinen fahrbaren Untersatz zu leihen. Um das Geld für einen Mietwagen zu sparen, oder? Hören Sie, zum letzten Mal, kann mir jemand sagen, worum es hier eigentlich geht?«
Kevin warf Paula einen Blick zu. Sie sah, dass er wirklich nicht wusste, wie er sich ausdrücken sollte. »Sanjar«, begann sie, »können Sie sich irgendeinen Grund vorstellen, warum Yousef heute Nachmittag im Victoria-Park-Stadion gewesen sein könnte?«
Er sah sie an, als sei sie verrückt. »Yousef? Nein, da irren Sie sich. Raj war beim Spiel.« Er stieß ein nervöses leises Lachen aus. »Ich weiß nicht, wie sie zustande gekommen ist, aber es ist eine Verwechslung. Raj hat seinen Namen bei einem Polizisten angegeben, ich weiß nicht, wieso er dann mit Yousef in Verbindung gebracht wurde. Yousef hat sich noch nie etwas aus Fußball gemacht.«
»Was trug Yousef, als er wegging?«, fragte Paula.
»Was er trug? Mist, ich weiß es nicht.« Sanjar schüttelte den Kopf und verzog nachdenklich das Gesicht. »Nein, warten Sie. Er hatte beim Essen eine schwarze Hose und ein Hemd an. Ein einfaches weißes Hemd. Und als er wegging, habe ich gesehen, dass er Imrans Overall übergezogen hatte. Er sagte, die Kupplung würde immer abrutschen, und wenn er aussteigen und etwas daran machen müsste, wollte er nicht, dass sein Hemd ganz dreckig würde. Er macht gern einen guten Eindruck, mein Bruder.«
»Sehen Sie, es ist so«, sagte Paula behutsam. »Natürlich wissen Sie von Raj, was heute Nachmittag passiert ist.«
Sanjar nickte langsam, auf seinem Gesicht lag jetzt ein neuer, vorsichtiger Ausdruck. Er war nicht dumm. »Sie wollen mir sagen, dass Yousef tot ist«, vermutete er. »Sie wollen sagen, dass er beim Fußballspiel war? Und jetzt ist er tot.« Sein Gesichtsausdruck bat sie inständig, ihm zu widersprechen. Er wollte nicht glauben, was sie ihm vermutlich sagen wollten.
»Nicht ganz«, antwortete Paula.
Kevin, der daran dachte, wie die Zeit verstrich, übernahm: »Ein Mann, der einen A1-Electricals–Anzug trug und den A1-Electricals-Lieferwagen Ihres Cousins fuhr, war für das Legen und Zünden der Bombe im Victoria-Park-Stadion verantwortlich. Ja, wir glauben, dass Yousef tot ist, aber nicht weil er zufällig dort war. Wir vermuten, dass Ihr Bruder ein Selbstmordattentäter war.«
Sanjar fiel auf seinem Stuhl zurück und rutschte nur deshalb nicht herunter, weil er so nah an den Küchenschränken saß. »Nein«, schrie er. Und stand taumelnd auf. »Das kann unmöglich sein.«
»Es sieht so aus«, sagte Paula. »Es tut mir leid.«
»Leid?« Sanjar sah richtig gestört aus. »Leid? Leid, verdammt noch mal? Erzählen Sie mir doch so was nicht.« Er fuchtelte mit den Händen. »Sie irren sich total. Mein Bruder ist doch kein Scheiß-Terrorist. Er ist … er ist … so ist er einfach nicht.« Er schlug gegen die Wand. »Das ist so bescheuert. Total bescheuert. Er wird hier reinkommen und Sie auslachen, Mann. Auf keinen Fall. Es kann nicht sein.«
Paula legte ihm eine Hand auf den Arm, und er
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