Schleichendes Gift
schwerwiegende Neuigkeit«, begann er, nahm auf einem der Besucherstühle Platz und warf seine Mütze achtlos auf einen anderen.
»Sir?«
»Sie erinnern sich an Tom Cross? Früher Detective …«
Sie nickte, verunsichert durch die Wendung, die das Gespräch nahm. »Ich habe ihn heute Nachmittag im Victoria-Park–Stadion gesehen. Ein Sanitäter half ihm in einen Krankenwagen. Er hatte anscheinend den Verletzten geholfen, sich aber zu viel zugemutet.«
Langsam dämmerte ihr, was geschehen sein musste.
»Er hat’s nicht geschafft«, vermutete sie und war überrascht von dem Schmerz, den ihr dies verursachte.
»Nein, er hat’s nicht geschafft. Sein Herz hat versagt.«
»Das ist tragisch«, meinte Carol. »Wer hätte gedacht, dass er sterben würde, weil er anderen Menschen einen Dienst erwies? Hatte er Herzprobleme?«
Brandon schüttelte den Kopf. »Nein, und es scheint, dass ihn nicht die Anstrengung aufgrund der Bergung der Verletzten umbrachte.« Er sah besorgt drein. Carol bemerkte plötzlich, wie sehr er in den letzten Jahren gealtert war, und ihr bot sich ein beunruhigender kurzer Blick auf ihre eigene Sterblichkeit.
»Was meinen Sie damit, Sir?«
»Eine der Ärztinnen des Notfallteams an der Bradfield-Cross-Klinik ist Dr. Elinor Blessing.«
Carol nickte. »Sie ist die Ärztin, die die Rizinvergiftung entdeckte.«
»Genau. Und sie sagt selbst, dass dieser Fall der einzige Grund war, der sie an Gift denken ließ. Aber zum Glück war sie deswegen sensibilisiert. Leider versagte sein Herz, bevor sie ihm genug von dem Gegenmittel geben konnte. Man versuchte, seine Vitalfunktionen zu erhalten, bis sie die Behandlung beendet hatte, aber es funktionierte nicht.«
Schockiert klammerte sich Carol an einen letzten Strohhalm. »Sind Sie sicher, dass sie jetzt nicht wegen Robbie überall Gift als Ursache sieht?«
»Ich nehme an, das ist möglich. Aber sie sagt, dass es kein Rizin war. Sondern sie meint, es sei eine andere pflanzliche Substanz gewesen. Fingerhut oder so etwas. Ihr Fazit ist, dass sie dies nicht als Tod durch natürliche Ursache oder Unfall bezeichnen kann.«
»Also Mord?«, fragte Carol.
»Sieht so aus. Zumindest laut Dr. Blessing. Ich will, dass Ihr Team das untersucht. Er war einer von uns, egal was er am Ende seiner Karriere getan hat. Sie sollten sich auch mögliche Verbindungen zu Robbie Bishop ansehen. Vielleicht Tony fragen, was er meint, wenn er sich dazu in der Lage sieht.« Brandon wischte einen Fussel von seiner schwarzen Hose. »Ich weiß, es ist ein bisschen ironisch angesichts dessen, was Tom von Tony und seinesgleichen hielt. Aber wir versuchen alles in dieser Sache. Warten Sie mit dem Gespräch mit seiner Witwe bis morgen, aber jemand sollte heute Abend noch mit der Ärztin reden. Sie wird bestimmt bis spät abends in der Notaufnahme sein.« Er stand auf und nahm seine Mütze.
»Wir werden unser Bestes tun«, versicherte Carol. »Aber es hat heute noch fünfunddreißig weitere Morde in Bradfield gegeben. Wir versuchen, auch ihnen unsere Aufmerksamkeit zu widmen.«
Brandon drehte sich um, sein Gesicht war versteinert. »Überlassen Sie das dem CTC. Konzentrieren Sie sich auf Tom Cross.«
»Bei allem Respekt, Sir …«
»Das ist ein Befehl, Chief Inspector. Ich erwarte am Montag einen vorläufigen Bericht.« Er marschierte aus dem Büro, aufrecht wie bei einer Parade.
»Das ist einfach falsch«, murmelte Carol halblaut. »So verdammt falsch.« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und saß fünf Minuten an die Decke starrend da.
Dann sprang sie auf und ging zur Tür. »Kommt mal alle her«, rief sie.
Das Team drängte herein, Kevin und Chris besetzten aufgrund ihres Dienstalters die Stühle. »Tut mir leid«, begann Carol. »Aber ich will nicht, dass uns jemand stört. Sam, behalten Sie die Tür draußen im Auge. Okay. Es ist so: Ich weiß, dass ihr nach dem Anschlag auf das Victoria-Park-Stadion heute Nachmittag alle wütend und fassungslos seid. Es war für alle Betroffenen eine entsetzliche Erfahrung. Aber es ist unsere Aufgabe, unsere emotionale Reaktion zu überwinden und das zu tun, was notwendig ist.« Sie fuhr sich durch ihr dichtes blondes Haar und schüttelte den Kopf. »Und ich glaube, ihr seid alle genauso entschlossen wie ich, das anzupacken.
Das einzige Problem ist nur, dass man uns befohlen hat, die fünfunddreißig Morde, die heute Nachmittag in unserem Zuständigkeitsbereich verübt wurden, nicht zu untersuchen. Oder zumindest nur, wenn wir
Weitere Kostenlose Bücher