Schleichendes Gift
von deiner alten Schule um, weil sie ein bisschen Kohle hatten? Ich sage dir, vor der Schlussfolgerung würde selbst Tony Hill zurückschrecken.«
»Gegen die Fakten kann man nichts sagen.«
»Wir kennen fast keine Fakten«, betonte Chris. »Aber wenn du meinst, du bist auf der richtigen Spur, dann solltest du dich in Acht nehmen«, fügte sie in scherzhaftem Ton hinzu.
»Was meinst du damit? Ich bin doch knapp bei Kasse«, erwiderte Kevin.
»Ja, aber du fährst ein Auto für reiche Leute«, sagte sie und nahm die letzte Kurve vor ihrem Ziel.
»Das ist kein Auto für Reiche. Du könntest es für sechzehntausend haben«, bot Kevin an. »Und ich bin ja nicht meinetwegen in Sorge. Es gibt andere reiche Kerle, die an der Harriestown High waren. Vielleicht sollten wir die warnen.«
Chris schüttelte belustigt den Kopf. »Sei so nett und lass mich dabei sein, wenn du das Jordan vorschlägst.« Sie hielt im Parkverbot vor der gesuchten Adresse. »Okay, wir sind da.« Sie stieg aus, aber Kevin rührte sich nicht. Chris beugte sich in den Wagen zurück. »Na komm, Kev. Du kannst in deiner Freizeit weitergrübeln. Wir müssen die Sturmtruppe Ihrer Majestät ärgern.«
Er kratzte sich am Kopf und öffnete die Tür. »Jetzt würde ich es tatsächlich mal begrüßen, wenn Tony Hill hier wäre«, gab er zu, als er die Einfahrt entlang hinter Chris herging. »Gift, die Harriestown-Penne und Geld. Dreimal. Er würde eine These aufstellen.«
Es dauerte nicht lang, bis sie festgestellt hatten, welche Wohnung Yousef Aziz gehört haben musste. Sie brauchten nur bei zwei Wohnungen anzuklopfen, und schon hatten sie die Antwort. Der Form halber schlug Carol gegen die Tür und rief: »Polizei, aufmachen«, bevor Sam und Kevin mit den Schultern die Tür einrannten. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie alle Handschuhe trugen, ging Carol voraus in den ungemütlichen Raum. Der bittere Chemikaliengeruch hing in der Luft, so dass ihre Augen tränten und es in ihren Stirnhöhlen stach.
Es gab nicht viel, womit die vier sich beschäftigen konnten. Ein Kühlschrank, der nichts außer etikettierten Behältern mit Chemikalien enthielt. Ein Abtropfgestell mit gespülten Glasutensilien, ein aufgerissenes Päckchen mit Triebwerken für Modellraketen. Zwei steckten noch in der Plastikverpackung. Und eine kleine Sporttasche.
»Ob wir die Bombenspezialisten holen sollten, damit sie die Tasche überprüfen?«, fragte Kevin, und sein Gesicht war nervös und angespannt.
Ihr erster Impuls war zu sagen: Ach nein, was soll’s . Aber als sie diese spontane Reaktion überdachte, konnte sie keine rechte Begründung dafür finden. Und ohne Begründung konnte sie ihrer aller Leben nicht einem solchen Risiko aussetzen. Einen Moment schwankte sie und hasste sich dafür. Sie wollte ihr Team inspirieren, nicht etwa Gründe zur Sorge liefern. »Gebt mir einen Augenblick«, bat sie, trat auf den Treppenabsatz hinaus, zog ihr Telefon heraus und rief Tony in seinem Krankenhauszimmer an. Er antwortete beim ersten Läuten. »Carol«, sagte er, bevor sie sich meldete. Es überraschte sie, weil die Krankenhaustelefone keine Anruferkennung hatten. Dann begriff sie, dass er keine Anrufe von anderen Leuten erwartete.
»Hi«, begrüßte sie ihn.
»Ist alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut. Aber ich brauche deine Hilfe. Stell dir vor, wir sind in der Wohnung, in der der Bombenleger seinen Sprengkörper gebaut hat. Es gibt keine Hinweise darauf, dass jemand anders beteiligt war. Neben der Tür steht eine Tasche. Ist es wahrscheinlich, dass sie mit einer versteckten Sprengladung versehen ist?«
»Nein«, antwortete er bestimmt.
»Warum? Ich meine, das war auch meine spontane Reaktion, aber warum?«
»Es ist eine Geste der Verachtung. Seht mal, hier sind wir, mitten unter euch. So arbeiten wir, so sind wir. Wir wollen euch zeigen, wie einfach das ist. Mach nur weiter, Carol. Öffne die Tasche.«
Sie seufzte erleichtert. »Danke.«
»Und wenn ich unrecht habe und du wirst ins Jenseits befördert, dann hast du ’n Essen bei mir gut.«
Sie hörte an seiner Stimme, dass er lächelte. »Bis später.«
»Komm vorbei, wenn du fertig bist. Egal wie spät es ist, komm einfach her.«
»Mach ich.« Sie klappte das Handy zu und ging wieder hinein. Die anderen drei standen um das Abtropfgestell herum und lasen eine Liste mit Anweisungen, die dahinter an der Wand hing.
»So ein disziplinierter Bursche«, meinte Chris.
»Aber immer noch keine Anzeichen von
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