Schleichendes Gift
bestellt«, betonte Paula. »Das wäre mein Job als zuverlässige, aber doofe Begleiterin gewesen.«
»Verdammt, ich wusste doch, dass ich was falsch gemacht habe.« Zögernd richtete sich Chris auf. »Wir sollten wohl an die Arbeit gehen, oder?«
An der Bar warteten keine drängelnden Menschenmassen mehr darauf, bedient zu werden. Der Barmann sah, dass sie sich näherten, und kam hinter dem Tresen hervor, um sie zu begrüßen. Er sah aus wie ein Student, der sein Stipendium aufbesserte, und sein langes dunkles Stirnhaar und sein schmächtiges Kinnbärtchen sollten ihn wohl als künstlerisch und sensibel kennzeichnen. Da brauchte er bei seiner stämmigen Gestalt und dem Bierbauch alle Hilfe, die er bekommen konnte. »Was kann ich für Sie tun, Ladys?«, fragte er, und sein walisischer Akzent war jetzt klar erkennbar. »Tut mir leid wegen vorhin, aber sonntags zur Lunchzeit ist es so voll, da können wir es uns nicht leisten, eine Pause zu machen. Wir haben ja unser Angebot: Wenn Sie Ihr Essen nicht innerhalb von zwanzig Minuten nach der Bestellung bekommen, dann zahlen Sie nichts dafür.« Er machte ein verdrossenes Gesicht. »Und uns wird es vom Lohn abgezogen.« Er führte sie an einen kürzlich frei gewordenen Tisch in der hinteren Ecke und setzte sich. »Ich bin Will Stevens«, stellte er sich vor. »Ich arbeite an den Wochenenden hier.«
Sie nannten ihrerseits ihre Namen, und Chris fragte: »Hatten Sie gestern zur Mittagszeit Dienst?«
Steve nickte und wickelte eine Stirnfranse um den Finger. »Ja. Samstags ist es nicht ganz so verrückt. Worum geht es denn?«
Paula breitete mehrere Fotos auf dem Tisch aus. »Erkennen Sie irgendeinen dieser Männer als jemanden, der gestern hier war?«
Er zeigte direkt auf das Bild von Jack Anderson. »Der da.« Man sah ihm an, dass ihm etwas dämmerte. »Er war mit dem Mann hier, der gestern nach dem Bombenanschlag starb. Wie hieß er noch … es fällt mir gleich ein, heute früh kam es im Fernsehen, als wir bei den Vorbereitungen waren, und ich sagte: ›Der war gestern hier, ich hab ihn bedient.‹ Cross, das war’s. Hört sich so an, als wäre er gestern ein regelrechter Held gewesen.« Er schwieg. »Wurde da nicht gesagt, dass er Polizist war, bevor er in den Ruhestand gegangen ist?«
»Stimmt. Er hat also diesen Mann hier getroffen?« Sie zeigte auf das Foto von Anderson. »Zur Mittagszeit?«
»Genau. Cross war zuerst da. Er trank ein Glas, ich weiß nicht mehr was. Dann kam dieser jüngere Typ. Sie benahmen sich, als würden sie sich kennen. Er trank ein Glas von unserem Roten. Ich habe ihn nicht besonders beachtet, wir hatten zu viel zu tun. Als ich wieder hinsah, waren sie weg.« Er tippte auf das Foto von Jack. »Ich hab ihn schon öfter bei uns gesehen. Er trifft Leute hier, sie trinken einen, dann gehen sie alle zusammen weg. Immer der gleiche Ablauf. Er isst nie etwas hier. Ich glaube, es ist einfach ein praktisches Lokal, um sich mit Leuten zu treffen. Wahrscheinlich wohnt er in der Nähe.«
»Ich vermute, Sie kennen seinen Namen nicht?«
Stevens nickte und lächelte so selbstgefällig wie ein Kind, das bei einer Geburtstagsparty zufällig den besten Preis gewonnen hat.
»Doch. Er heißt Jake.«
»Sie sind sicher, dass es Jake war? Nicht Jack?«, fragte Paula.
»Jake. So hat ihn Ihr Mr. Cross genannt. Auf jeden Fall Jake.«
»Und sie haben nicht hier gegessen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Nur der eine Drink, dann sind sie verschwunden.«
Chris stand auf. »Danke, Mr. Stevens. Das hat uns sehr geholfen.«
Er sah auf und strahlte. »Gibt es eine Belohnung dafür?«
Unter Computerspezialisten gab es ein Gefühl der Verbundenheit, das alle anderen Unterschiede überwand. Carol mochte Chris Devine formell damit beauftragt haben, den Kontakt zum CTC herzustellen und zu halten, aber Stacey hatte schon ihre eigenen Beziehungen aufgebaut. Eines der vielen Dinge, die Computerfreaks begeistern, sind Hintertüren in die Systeme anderer Leute, und Stacey hatte eine bewundernswerte Sammlung davon. Wenn es um Tauschaktionen ging, hatte sie immer etwas zu bieten. Es konnte auch nicht schaden, dass sie aus der Sicht von Computerkollegen absolute Spitze war.
Wegen Aziz’ Laptop hatte sie sich mit dem wichtigsten Computerspezialisten des CTC zusammengetan, einem rundlichen Typ in den Zwanzigern mit einem ungepflegten Pferdeschwanz und einem unzureichenden Begriff von Hygiene. Was Gerry an persönlichem Charme abging, machte er mit seiner Kenntnis der
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