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Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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sollen nicht in der Gegend herumscharwenzeln, wann immer Sie Lust haben.«
    »Die Physiotherapeutin hat gesagt, ich sollte mich heute anziehen und bewegen«, rechtfertigte er sich, nahm gehorsam die Pillen und schluckte sie mit einem Glas Wasser.
    »Sie hat nicht gesagt, dass Sie das Gebäude verlassen sollen«, antwortete die Schwester streng, steckte ihm ein Thermometer in den Mund und fühlte ihm den Puls. »Bitte, verschwinden Sie nicht wieder, Tony. Wir haben uns Sorgen gemacht. Wir haben befürchtet, Sie wären irgendwo hingefallen und könnten niemanden rufen.« Sie zog das Thermometer heraus. »Sie können von Glück sagen, dass Sie nicht in einem schlimmeren Zustand sind.«
    »Kann ich die Station verlassen, wenn ich Bescheid gebe, wohin ich gehe?«, fragte er gehorsam. Nicht dass er im Moment Pläne hatte, irgendwohin zu gehen, seine Energiereserven waren zu erschöpft für ein weiteres Abenteuer wie das von heute Vormittag.
    »Solange Sie innerhalb des Gebäudes bleiben«, erklärte die Schwester streng. »Sie haben großes Glück, dass es heutzutage keine Oberschwestern alter Schule mehr gibt. Meine Tante war eine, wissen Sie. So eine hätte Sie an den Eiern aufgehängt.« Sie war schon halb aus der Tür, als sie stehen blieb. »Ach, ich hab’s fast vergessen. Ihre Mutter ist heute vorbeigekommen. Sie war auch nicht sehr erfreut.«
    Tony spürte, wie sich eine Last auf ihn herabsenkte. »Hat sie gesagt, wann sie wiederkommt?«
    »Sie meinte, sie würde es später am Nachmittag noch einmal versuchen. Sehen Sie also zu, dass Sie da sind.«
    Endlich allein, ballte Tony die Faust und schlug auf die Matratze ein. Er wollte durch den Besuch seiner Mutter wirklich nicht abgelenkt werden. Er funktionierte sowieso nicht auf normalem Niveau und brauchte seinen ganzen Scharfsinn, um sich auf den Bombenanschlag und die Vergiftungen zu konzentrieren. Trotz des Versprechens, das er der Schwester gegeben hatte, überlegte er, ob er am Nachmittag einen weiteren Ausflug in die Freiheit unternehmen sollte.
    Aber jetzt musste er zunächst seine Energie wieder sammeln, indem er sich hinlegte und nichts Anstrengenderes tat als lesen. Er rief das Weblog auf, das Sanjar ihm gezeigt hatte. Die Beiträge von Yousef Aziz zu lesen war faszinierend. Hier war ein junger Mensch, intelligent, aber im Ausdruck nicht gewandt genug, um deutlich erklären zu können, was er sagen wollte. Viele seiner Beiträge waren Antworten auf die Reaktion von Leuten, die ein früheres Argument missverstanden hatten, weil er es nicht geschafft hatte, sich klar auszudrücken.
    Das Gesamtbild, das Tony sich von ihm machte, war das eines jungen Mannes, den die Unfähigkeit der Menschen, friedlich zusammenleben zu können, frustrierte. Aziz respektierte die Ansichten anderer; warum konnten nicht alle verstehen, dass dies die einzig vernünftige Art zu leben war? Warum schienen einige Leute ein so großes Interesse am Konflikt zu haben?
    Beim ersten Durchsehen der Zuschriften war Tony nichts aufgefallen. Aber als er die früheren noch einmal las und die späteren dabei noch im Kopf hatte, kam ihm eine Ahnung. Er sprang ein paarmal fast nach Belieben hin und her. Er hatte recht. Da hatte sich etwas getan. Etwas im Sinne von dem, was Sanjar ihm erzählt hatte. Jetzt musste er sich definitiv noch einmal auf den Weg machen.

    Um die Fußballsaison der Premier League zu beenden, bedurfte es mehr als eines großen Bombenattentats. Paula entdeckte dies, als sie Steve Mottishead zu Hause aufsuchte, um über die alten Schulkameraden zu reden, deren Foto er der Polizei geschickt hatte. »Ich sehe mir gerade das Spiel an«, sagte er gereizt. »Chelsea gegen Arsenal. Ich habe Ihnen alles über Jack Anderson gesagt, als ich mit Ihnen gesprochen habe.«
    »Wir können ja reden, während Sie zusehen, oder?« Paula lächelte lieb.
    »Ja, na gut«, gab er nach, hielt ihr widerwillig die Tür auf und ließ sie hereinkommen. Steve Mottisheads Haus gehörte zu einer früheren Siedlung des sozialen Wohnungsbaus am Rand von Downton. Die Zimmer waren eher klein, aber das Haus lag direkt am Golfplatz, der die natürliche Grenze zwischen Moortop und Downton bildete. Deshalb war die Aussicht vom Wohnzimmer, in das er sie führte, imponierend.
    Aber Paula war die Einzige, die sich für den Ausblick interessierte. Auf dem Sofa vor einem großen Fernseher lümmelten zwei weitere Männer herum, die auf jeden Fall der Gesinnung nach Brüder waren. Alle drei trugen England-Trikots,

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