Schleichendes Gift
für die meisten Fußballer gilt, dass man in deinem Alter schon ausrangiert ist. Und was gibt es dann noch? Sicher, ein paar schaffen es ins Management, aber viele stehen schließlich in einem beschissenen Pub hinter der Theke, ziehen aus ihren Tagen des Ruhms Nutzen und schimpfen über ihre Exfrau, die ihnen die Taschen geleert hat.«
Kevin lächelte ihr zu. »Und du meinst, das wäre schlechter als unser Job?«
»Du weißt doch, dass es das wäre.«
Als sie das Gebäude umrundeten, kam ihnen ein Mann in Shorts und einem Sweatshirt mit Bradfield-Victoria-Aufdruck entgegen. Es schien, als sei er Mitte vierzig, wirkte aber so fit, dass sich das nicht mit Sicherheit sagen ließ. Hätte er sein dunkles Haar noch in der alten Fußballerfrisur getragen, hätten ihn Fußballfans und auch solche, denen Fußball egal war, sofort erkannt. Aber jetzt war es kurz und am Kopf anliegend geschnitten, und Kevin brauchte einen Moment, bis er erkannte, dass er hier einem der Helden seiner Jugend gegenüberstand.
»Sie sind doch Terry Malcolm«, entfuhr es ihm, und er war wieder zwölf und berauscht von dem Fußballkönnen des Mittelfeldspielers in der englischen und der Bradfielder Mannschaft.
Terry Malcolm wandte sich lächelnd an Chris und sagte: »Es wird mir nichts ausmachen, wenn ich Alzheimer bekomme. Sie würden staunen, wie oft die Leute meinen, mir sagen zu müssen, wer ich bin. Und Sie müssen wohl Sergeant Devine sein. Ich rate allerdings nur, weil ich es hoffe, denn er ist nicht mein Typ, und ich glaube, ich könnte ihn nicht ›divine‹ – göttlich – nennen.« An seinem Gesichtsausdruck ließ sich ablesen, dass er gewöhnt war, als lustig und charmant zu gelten. Kevin, der seinen früheren Helden mit wachsender Ernüchterung betrachtete, war erfreut, dass Chris Devine nicht weiter beeindruckt schien.
»Mr. Flanagan hat Ihnen gesagt, warum wir hier sind?«, fragte Kevin mit leicht zweifelndem Tonfall, als könne er nicht fassen, dass jemand, der für Bradfield Victoria arbeitete, sich so schnoddrig geben konnte, während ihr bester Spieler im Sterben lag.
Malcolm sah entsprechend zerknirscht aus. »Ja, das hat er. Und glauben Sie mir, ich bin untröstlich wegen Robbie. Aber ich kann es mir nicht leisten, meine Gefühle zu zeigen. Schließlich sind noch einundzwanzig weitere Spieler in der Riege, die motiviert bleiben müssen. Am Samstag spielen wir gegen die Spurs in der Premier League, und zu diesem Zeitpunkt der Saison können wir es uns nicht leisten, Punkte zu verlieren.« Er schenkte Chris noch einmal ein Lächeln. »Ich hoffe, das klingt nicht abgebrüht. Wie gesagt, ich bin am Boden zerstört. Aber unsere Jungs müssen auf Zack bleiben. Am Samstag werden wir für Robbie gewinnen. Umso mehr Grund, unser Training nicht aufzugeben.«
»Durchaus«, stimmte Chris zu. »Und wir müssen herausfinden, wo Robbie sich in den achtundvierzig Stunden aufhielt, bevor er sich am Samstag schlecht zu fühlen begann. Wir möchten mit seinen Kameraden sprechen. Mit denen, die ihm nah genug sind, dass sie wissen, was er zwischen dem Ende des Trainings am Donnerstag und dem Frühstück am Samstag tat.«
Malcolm nickte. »Da sollten Sie mit Pavel Aljinovic und Phil Campsie reden. Robbie teilt sich mit Pavel ein Zimmer, wenn wir im Hotel übernachten. Und Phil ist sein bester Kumpel.«
Malcolm rührte sich nicht, um die Spieler zu holen.
»Jetzt, Mr. Malcolm«, drängte Chris.
Wieder das billige und abgeschmackte Lächeln. »Sagen Sie doch Terry, Schätzchen.«
Jetzt war Chris an der Reihe zu lächeln. »Ich bin nicht Ihr Schätzchen, Mr. Malcolm. Ich bin eine Polizeibeamtin, die einen sehr schwerwiegenden Angriff auf einen Ihrer Kollegen untersucht. Und ich möchte jetzt gleich entweder mit Pavel Aljinovic oder Phil Campsie sprechen.«
Malcolm schüttelte den Kopf. »Sie trainieren. Da kann ich nicht unterbrechen.«
Eine unvorteilhafte Röte überzog Kevins Gesicht, und die Sommersprossen auf seinen Wangen wurden dunkler. »Möchten Sie, dass ich Sie wegen Behinderung der Polizei verhafte? Dann machen Sie nur so weiter.«
Malcolms Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Lächeln. »Ich glaube kaum, dass Sie mich verhaften werden. Dafür schätzt Ihr Chef seinen Platz in der Ehrenloge viel zu sehr.«
»Das funktioniert auch andersherum«, sagte Chris freundlich. »Das heißt, dass wir auch einen direkten Draht zu Ihrem Chef haben. Und ich glaube nicht, dass er sehr beeindruckt wäre zu hören, dass Sie
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