Schleichendes Gift
über seine Kollegen arbeitete er genauso gründlich, als wenn es um Kriminelle ging, und war dabei seinen Arbeitskollegen auch immer ein Stück voraus.
Nachdem Carol Robbie Bishops Wohnung verlassen hatte, beschloss er deshalb, sich vor Stacey schnell den Computer des Fußballers anzuschauen. Er wusste, es gab gute Gründe dafür, dass er ihn nicht anrühren sollte. Aber was er bislang über Robbie Bishop zusammengetragen hatte, ließ ihn nicht vermuten, dass dessen Computer einen Virus hatte, der alle Daten zerstören würde, wenn ein Fremder auf sie zuzugreifen versuchte.
Und er hatte recht. Er war nicht einmal mit einem Passwort geschützt. Es war verlockend, die Dateien zu öffnen, aber er war sicher, damit Spuren zu hinterlassen, die Stacey bestimmt auffallen würden. Doch er glaubte, kein großes Risiko einzugehen, wenn er die Dateien auf die CD-Rohlinge kopierte, die er in einer der Schreibtischschubladen gefunden hatte.
Aber bald wurde ihm klar, dass es nicht viel gab, das zu kopieren sich lohnte, zumindest hinsichtlich des Informationswertes. Es gab Tausende von Musikdateien. Laut Robbies iTunes-Software würde es 7,3 Tage dauern, sie alle zu hören. Eine wirklich beträchtliche Menge Musik, die aber wahrscheinlich kein Licht auf Robbies Ermordung werfen würde. Auch ein paar Dutzend gespeicherte Spielstände, ein weiterer Beweis dafür, dass er sich in seiner Freizeit viel mit seinem Rechner beschäftigte, würden sich wohl kaum als nützlich erweisen. Stattdessen konzentrierte sich Sam auf E-Mails, Fotos und eine Handvoll Textdateien. Obwohl er rücksichtslos aussortierte, brauchte er immer noch drei CDs, um alle Dateien zu kopieren, die er für sich haben wollte.
Dann fuhr er den Rechner herunter und war sicher, dass die Sache für ihn bombensicher war. Sollte doch Stacey so viel damit spielen, wie sie wollte. Er hatte den notwendigen Vorsprung, um sicherzugehen, dass er dem Rest des Teams eindeutig voraus war.
Sam schaltete den Computer zufrieden ab und kehrte zum Schreibtisch zurück. Da er jetzt etwas Handfestes hatte, womit er arbeiten konnte, störte es ihn weniger, dass er hier festsaß, obwohl er lieber draußen in vorderster Linie die Schlüsselfiguren befragt hätte. Scheiß-Jordan. Es war egal, was er tat, sie war einfach nicht zu beeindrucken. Er würde eine Möglichkeit aushecken müssen, sich an ihr vorbei den Vorsprung zu verschaffen, den er sich so sehr wünschte. Immer noch leicht verärgert nahm er seine Zigaretten und zündete sich eine an. Robbie Bishop würde ja bestimmt nicht wiederkommen und sich beschweren.
Carol stand im Schatten und beobachtete den letzten Akt von Robbie Bishops Tragödie. Nicht einmal die Apparate konnten ihn jetzt noch am Leben erhalten. Dr. Denby hatte es ihr erklärt, als sie im Krankenhaus eintraf. »Ich sagte Ihnen ja schon, dass Rizin die Zellen daran hindert, die nötigen Proteine zu bilden, so dass sie beginnen abzusterben. Wir können das bis zu einem gewissen Grad mit Apparaten abfangen, aber es kommt der Punkt, an dem der Blutdruck so weit abfällt, dass einfach nicht mehr genug Sauerstoff ins Gehirn transportiert wird, und alles fängt an, sich abzuschalten. Dieses Stadium haben wir jetzt erreicht.«
Sie wusste, dass er keine Schmerzen hatte. Dafür gab es ja Morphium. Und Prophanol, damit er schlief. Obwohl er rein wissenschaftlich gesehen noch lebte, war nichts mehr von dem da, was Robbie Bishop einmal ausgemacht hatte. Es war schwer zu glauben, dass der Mann, den sie hier sterben sah, seine Teamkameraden noch vor einigen Tagen zu einem denkwürdigen Sieg angespornt hatte. Er sah nicht mehr wie ein Sportler aus. Sein Kopf war auf die doppelte Größe angeschwollen, sein Körper aufgeschwemmt und aufgebläht. Unter der dünnen Bettwäsche lagen seine ehemals schönen Beine wie zwei Säulen. Robbie Bishop, der sportliche Held, ein Idol für Millionen, sah einfach mitleiderregend aus.
Seine Mutter saß neben ihm und hielt mit beiden Händen seine schlaffen Finger umklammert. Sie waren dunkel geworden, weil aufgrund der Medikamente zur Hebung des Blutdrucks die Durchblutung der peripheren Gefäßsysteme nicht mehr funktionierte. Tränen liefen ihr lautlos über die Wangen. Sie war erst Ende vierzig, aber die letzten beiden Tage hatten aus ihr eine alte Frau gemacht, vornübergebeugt und verwirrt. Hinter ihr stand ihr Mann und hatte die Hände fest auf ihre Schultern gelegt. Die Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Sohn, als er noch gesund
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