Schleichendes Gift
wiederholte er, während er noch zu Ende gähnte.
»Nicht nur junge Mädchen tun sich also entsprechend ihres Aussehens zusammen.«
»Was meinst du damit?«
»Eine Hübsche und eine Hässliche. Eine Symbiose. Die Hübsche darf neben der Hässlichen noch besser aussehen, und die Hässliche bekommt das, was die Hübsche abgelegt hat. Beide haben etwas davon.«
Kevin erwiderte: »Na, na – das ist ja keine sehr schwesterliche Haltung von dir.«
Chris lachte spöttisch. »Siehst du, Kevin, du vermengst immer lesbisch und feministisch. Versuch’s nächstes Mal mit lesbisch und pragmatisch.«
Er grinste. »Ich werd versuchen, daran zu denken. Du meinst also, dass es mit Robbie und Phil genauso war?«
»Bis zu einem gewissen Grad. Phil ist natürlich auch reich und berühmt, was Hässlichkeit sowieso immer aussticht. Aber ich wette, es schadete nicht, mit einem der bekanntesten, bestaussehenden und begehrtesten Männer Europas auszugehen. Gar nicht zu reden von sexy.«
»Du findest Robbie sexy?«
»Sex-Appeal hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, Kevin. Sag bloß, du findest Robbie nicht insgeheim sexy.«
Kevin wurde rot. »Ich hab nie darüber nachgedacht.«
»Aber sein Aussehen gefällt dir doch, wie er sich bewegt und wie er sich anzieht«, beharrte Chris.
»Ich nehme an, ja.«
»Ist ja schon in Ordnung, das heißt doch nicht, dass du ’ne Schwuchtel bist. Ich will ja damit nur sagen, Robbie hat Sex-Appeal, Charisma, nenn es, wie du willst. David Beckham hat es, aber Gary Neville hat es nicht. John Lennon hatte es, Paul McCartney dagegen nicht. Bill Clinton hat es, aber Bush auf keinen Fall. Und wenn man es nicht hat, sollte man sich möglichst mit jemandem zusammenzutun, der es hat.« Chris legte die Hantel beiseite, und die Tür ging auf. Sie setzte ihr nettestes Lächeln auf. »Mr. Campsie. Danke, dass Sie sich Zeit nehmen, mit uns zu sprechen.«
Phil Campsie angelte sich den Stuhl mit dem Fuß und zog ihn einen halben Meter weiter von ihnen weg, bevor er sich setzte. »Es geht um Robbie, was?« Sein Londoner Akzent war fast ebenso deutlich wie der von Chris. »Würd alles für ihn tun. Er ist mein Freund.«
Kevin übernahm die Vorstellung. Aus der Nähe war Phil Campsie noch weniger attraktiv. Seine blasse, fleckige Haut erinnerte an eine geschrubbte Kartoffel, seine flache Nase sah aus wie schon zweimal gebrochen. Seine kleinen grauen Augen lagen in dem ovalen Kopf weit auseinander. Sein rötliches Haar war kurz, und am Haaransatz zeichnete sich schon leicht die beginnende Glatze ab. Aber wenn er lächelte, zeigte er neben seinen unregelmäßigen gelben Zähnen auch einen Anflug echter freimütiger Herzlichkeit.
Kevin legte los. »Wir haben gehört, dass Robbie nach der Arbeit wahrscheinlich mehr Zeit mit Ihnen als mit irgendeinem der anderen Teamkameraden verbringt.«
»Stimmt. Ich und Robbie sind sehr eng befreundet«, bestätigte Phil.
»Also, was stellt ihr denn so an?« Chris hob die Augenbrauen, als wolle sie andeuten, nichts, was er sagte, könne sie schockieren.
»Alles Mögliche. Ich hab ’n Haus auf dem Land. ’n Grundstück, zwei Meilen von ’nem Bach mit Forellen. Ich und Robbie, wir gehen manchmal auf die Jagd – Hasen, Tauben und so. Und wir gehen angeln.« Er grinste und sah aus wie der kleine Junge, der er vor nicht allzu langer Zeit noch gewesen sein musste. »Ich hab da ’ne Frau, die kommt vom Dorf, kocht und macht sauber. Sie kümmert sich um das Zeug, das wir erlegen. Bereitet alles zu und steckt’s in die Kühltruhe. Es ist wirklich cool, etwas zu essen, das man selbst getötet hat, verstehen Sie, was ich meine?«
»Eindrucksvoll«, meinte Chris, bevor Kevin ins Fettnäpfchen treten konnte. »Und was ist mit Geselligkeit? Wie vergnügen Sie sich sonst, wenn Sie keine Tiere umbringen?«
»Wir gehen in der Stadt aus«, berichtete Phil. »Nettes Essen in ’nem schicken Lokal und weiter in ’nen Club.« Er zuckte leicht mit den Schultern, eine merkwürdig selbstironische Geste. »In den Clubs freut man sich, wenn wir kommen. Das macht sie bekannt. Wir werden dann in die VIP-Räume geführt, bekommen Sekt gratis und sehr appetitliche Mädchen.«
»Es interessiert uns, wo Robbie sich am Donnerstag und Freitag aufgehalten hat«, sagte Kevin.
Phil nickte und straffte seine breiten Schultern, als trete er zum Kampf an. »Am Donnerstag nach dem Training sind wir in Robbies Wohnung gegangen. Wir haben ein bisschen auf der PlayStation gespielt. Gran Turismo HD, wissen
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