Schleichendes Gift
gewesen war, war frappierend. Brian Bishop war die lebende Erinnerung an das, was Robbie nie mehr sein würde. Martin Flanagan stand mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen auf der anderen Seite des Bettes. Carol sah, wie er vor Anstrengung das Gesicht verzog, um nicht weinen zu müssen. Seit Englands letztem trostlosem Versagen bei der Weltmeisterschaft betrachtete Carol Tränen auch für veritable Männer als akzeptabel. Vielleicht nur nicht für die von Flanagans Generation, dachte sie.
Sie sah, dass Robbies Brust sich nicht mehr zu heben und sein Körper nicht mehr zu zucken schien. In Sekunden war alles vorbei. Als das Ende gekommen war, fielen die Zahlen auf dem Herzmonitor, der Blutdruck sank wie ein Stein, und die Anzeige des Sauerstoffgehalts im Blut stürzte ab. »Es tut mir sehr leid«, sagte Thomas Denby. »Wir müssen jetzt die Apparate abschalten.«
Mrs. Bishop stieß einen Klagelaut aus. Nach einem langen schluchzenden Schrei fiel ihr Kopf nach vorn neben ihren Jungen herab, ihre Hand umklammerte seine aufgeblähte Brust, als könne sie ihm irgendwie wieder Leben einflößen. Ihr Mann wandte sich ab, schlug die Hände vors Gesicht, und seine Schultern zuckten. Flanagan kauerte an der Wand, den Kopf auf den Knien.
Es war einfach zu schrecklich. Carol ging hinaus. Als sie in den Korridor trat, war Denby sofort bei ihr. »Wir werden eine Erklärung abgeben und eine Pressekonferenz abhalten müssen. Ich schlage vor, wir machen das gemeinsam.« Er sah auf seine Uhr. »Reicht Ihnen eine halbe Stunde zur Vorbereitung?«
»Ich bin mir nicht sicher, dass wir das tun sollten …«
»Aber ich werde ihnen mitteilen müssen, was wir wissen, das heißt, dass Robbie Bishop an einer Rizinvergiftung starb. Sie werden wissen wollen, was die Polizei tut. Ich versuche nur sicherzustellen, dass die ganze Geschichte auf einmal öffentlich wird und nach meiner Erklärung nicht eine Unmenge Spekulationen angestellt werden.« Denby klang gereizt wie ein Mann, der nicht gewohnt ist, dass man ihm widerspricht.
Carol hatte nie ein Problem damit gehabt, sich gegen Männer wie Denby zu behaupten, aber sie hatte gelernt, ihren Kriegsschauplatz selbst zu wählen. »Ich nehme an, ich habe mehr Erfahrung darin als Sie, meine Arbeit mitten in einer feindlichen Menge säbelrasselnder Medienleute zu tun«, erklärte sie freundlich. »Wenn meine Unterstützung bei der Pressekonferenz Ihnen hilft, bin ich mir sicher, dass sich das einrichten lässt. Wo werden wir die Presse treffen?«
Nach diesem gründlich misslungenen Start erklärte Denby knapp: »Der Sitzungssaal im zweiten Stock eignet sich dazu wahrscheinlich am besten. Ich sehe Sie dort in zwanzig Minuten.« Damit verschwand er; sein weißer Kittel war so gut gestärkt, dass er bei seinem Abgang kaum flatterte.
»Dreckskerl«, murmelte sie halblaut.
»Probleme, Chefin?« Paula stand an der Tür des Aufenthaltsraums, in dem sie zuvor Flanagan befragt hatte.
»Dr. Denby verschwendet keine Zeit. Kaum hat er den Tod festgestellt, setzt er in der nächsten Minute bereits eine Pressekonferenz an. Ich hätte lieber etwas mehr Zeit gehabt, um wirklich auf dem neuesten Stand zu sein, das ist alles.«
»Soll ich alle vom Team anrufen? Damit wir die bis jetzt gesammelten Details auflisten können?«
Carol hatte Mühe, Paulas Eifer für bare Münze zu nehmen. Als sie in einer ähnlichen beruflichen Situation gewesen war, hatte sie nur Wut, Groll und den brennenden Wunsch nach Rache verspürt. Sie konnte sich unter keinen Umständen vorstellen, für jemanden arbeiten zu können, der sie im Stich gelassen und ihr Vertrauen missbraucht hatte. Aber Paula schien sie nicht zu hassen, sondern im Gegenteil noch motivierter zu sein, ihren Beifall zu finden. Carol hatte Tony gebeten, ihr das zu erklären, aber da er Paula therapeutisch unterstützte, waren ihm die Hände gebunden. Er hatte nur sagen können: »Sie gibt dir wirklich nicht die Schuld für das, was in jener Nacht in Temple Fields schiefgelaufen ist. Sie versteht, dass du ihr nicht in den Rücken gefallen bist. Dass du alles getan hast, was dir möglich war, um sie schützen. Sie hat keine Hintergedanken, Carol. Du kannst darauf vertrauen, dass sie auf deiner Seite steht.«
Deshalb versuchte sie es jetzt mit ihr. Sie lächelte und legte eine Hand auf Paulas Arm. »Es wäre mir eine große Hilfe. Ich werde unten im Café ein paar Notizen zusammenstellen, ich brauche das Koffein, wir sehen uns dort in einer
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