Schleichendes Gift
dass Robbie am SMS-Stil festhielt und die Texte deshalb schwierig zu lesen waren. Noch schlimmer war die Banalität ihrer Inhalte. Sollte es einen noch langweiligeren Schreiber als Robbie geben, dann hoffte Sam sehr, dass er niemals dessen E-Mails durchkämmen musste. Er nahm an, dass die mit dem Thema Musik vielleicht etwas enthalten könnten, das zu lesen lohnte, wenn man eine glühende Leidenschaft für die genauen Einzelheiten obskurer Trip-Hop-Titel hatte. Vielleicht ließ Robbies Enthusiasmus für beats per minute Bindies Herz schneller schlagen. Bei Sam rief er nur das starke Bedürfnis nach Schlaf hervor.
Die romantischen Dinge waren fast genauso langweilig wie die musikalischen. Und da Bindie seine hauptsächliche Ansprechpartnerin war, waren Liebe und Musik die Hauptthemen. Aber Sam gab nicht so schnell auf. Er wusste, dass die interessantesten Informationen oft Dinge waren, die am tiefsten vergraben waren. Und so hielt er durch.
Der Hinweis kam, als er zweieinhalb Stunden unerträglicher Liebesbeteuerungen und Musikanalysen hinter sich hatte. Er hätte es fast übersehen, weil es sich so unauffällig zwischen dem anderen Zeug verbarg. » Vielleicht solltest du den Deppen anzeigen. Du sagst, er meint’s nicht böse mit dir, aber was ist mit mir? Leute wie er machen mit Knarren usw. allen möglichen Quatsch. Lass uns später darüber reden .«
Für sich betrachtet ergab es kaum einen Sinn. Sam kehrte zum E-Mail-Ordner zurück und rief die Liste der empfangenen E-Mails auf. Als er sie öffnete, erschien die Nachricht: »Sie haben 9743 Nachrichten in diesem Ordner. Es kann einige Zeit dauern, diese Nachrichten zu sortieren. Sollen sie sortiert werden?« Er klickte auf »ja« und überprüfte das Datum der Nachricht, die Robbie geschickt hatte.
Es dauerte nur ein paar Sekunden, Bindies Nachricht zu finden, die Robbie zu seiner Antwort veranlasst hatte. »Mir kommt der Kerl langsam ein bisschen unheimlich vor, der immer bei den Gigs auftaucht«, las Sam.
»Er schickt mir jetzt schon seit längerer Zeit Briefe in schöner Handschrift, sieht aus, als wären sie mit einem Füllfederhalter geschrieben. Da sagt er mir immer wieder, dass wir dazu geschaffen seien, zusammen zu sein, und dass die BBC sich verschworen hätte, uns davon abzuhalten. Nichts davon ist besonders vernünftig, aber er schien bislang ziemlich harmlos. Jedenfalls hat er jetzt rausgekriegt, dass ich auch live Gigs in Clubs mache, und tauchte dort auf. Gott sei Dank lassen die meisten ihn nicht rein, weil er nicht die richtigen Klamotten trägt. Aber dann hängt er einfach draußen rum. Er ist jetzt dazu übergegangen, mit einem Transparent auf und ab zu marschieren, auf dem steht, es gebe eine Verschwörung, ihn von mir fernzuhalten. Einer der Rausschmeißer hat ihm neulich die Seite gezeigt, die wir für den Sunday Mirror für den Valentinstag gemacht haben. Und anscheinend war er sehr verärgert. Seit damals erklärt er überall dem Personal an der Tür, dass du mich hypnotisiert und mich zu deiner Sexsklavin gemacht hättest. Und dass er das in Ordnung bringen wird. Ich glaube überhaupt nicht, dass er etwas anderes tun wird, als letzten Endes wieder in seinen Bau zurückzukriechen, aber es ist doch ein bisschen unheimlich.«
Sam atmete ganz langsam ein. Er war doch sicher gewesen, dass man in Robbies Computer etwas finden konnte. Etwas, das sie schließlich zu einer deutlichen Spur führen würde. Und hier war es. Ein hochkarätiger Spinner. Einer von genau der Sorte, die sich einen komplizierten Plan mit einem seltenen Gift und einem langsamen, schrecklichen Tod ausdenken würde.
Er lächelte mit Blick auf den Bildschirm. Zwei Anrufe, um die Sache zu bestätigen, dann würde er Carol Jordan zeigen, wie unrecht sie hatte, Sam Evans in den Hintergrund zu schieben.
Tony verfeinerte die Suchkriterien noch einmal und ließ seinen Metacrawler loslegen. Google war für eine grobe Suche in Ordnung, aber wenn es um genaue Nachforschungen ging, war die Suchmaschine, die ihm ein Profilerkollege vom FBI mit einem Augenzwinkern genannt hatte, praktisch unschlagbar. »Es dauert ein bisschen länger, aber du kannst die Haare in ihren Ohren und Nasenlöchern sehen«, hatte er versprochen. Tony hatte den Verdacht, dass er mit der Nutzung die europäischen Datenschutzgesetze verletzte, aber er glaubte nicht, dass die Polizei deshalb hinter ihm her sein würde.
Der große Vorteil, den er vor seinen amerikanischen Kollegen hatte, war, dass die Auswahl,
Weitere Kostenlose Bücher