Schleichendes Gift
grauen Augen lagen lange, pyramidenförmige Schatten, und aus seinen vollen Lippen schien alles Blut gewichen zu sein. Er glich eher einem Gefangenen als einem Pathologen, kratzte sich an seiner stoppeligen Wange und antwortete: »Nicht viel, was Sie nicht schon wissen. Todesursache: multiples Organversagen aufgrund von Rizinvergiftung.« Dann hielt er einen Finger hoch. »Ich sollte dazu sagen, dass meine Schlussfolgerung sich auf die Information der Ärzte stützt, die ihn bis zum Todeseintritt behandelten. Wir werden auf unser eigenes Ergebnis der toxikologischen Untersuchung warten müssen, bevor wir das offiziell bestätigen können, aber das ist ja klar, nicht wahr?«
»Sonst nichts?«
Grisha lächelte. »Ich könnte Ihnen alles über seine körperliche Verfassung sagen, aber ich glaube, das würde Sie nicht weiterbringen. Es gibt eine Sache, die auf die Art und Weise, wie er starb, einen Einfluss gehabt haben könnte oder auch nicht. Eine anal-rektale Verwundung, nicht groß, nur eine innere Quetschung in der Aftergegend. Und auch eine schwache Reizung des Gewebes genau über dem Schließmuskel.«
»Hervorgerufen wodurch?«, wollte Carol wissen.
»Die Quetschung passt zu einer sexuellen Handlung. Ich würde sagen wie bei einem etwas groben Vorgehen bei beiderseitigem Einverständnis. Keine Vergewaltigung. Na ja, nicht in dem Sinn, dass er festgehalten und gewaltsam penetriert wurde. Aber doch schon heftig. Keine Spermaspuren, also kann ich nichts dazu sagen, ob er mit einem Penis oder etwas anderem penetriert wurde. Mit einem Dildo, einer Flasche oder einer Karotte. Hätte eigentlich alles Mögliche von einer gewissen Größe sein können.« Er lächelte. »Wie uns beiden aufgrund dieses Fachs bekannt ist, gibt es eben so ’ne und solche.«
»Sieht es aus, als hätte er diese sexuelle Aktivität regelmäßig ausgeübt?«
Grisha fuhr sich übers Kinn, eine Angewohnheit, die von seinem Spitzbart herrührte, den er bis vor kurzem getragen hatte. »Ich würde sagen nein. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Robbie regelmäßig Analverkehr hatte. Er mochte vielleicht einen netten kleinen Butt Plug, aber nichts von der Größe eines Penis.«
»Und die Reizung des Gewebes? Was hat es damit auf sich? Was bedeutet das?«
Grisha zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. In Anbetracht der Stelle, an der die Reizung vorliegt, ist das, was sie verursacht haben mag, schon lange verschwunden. Etwas in der Art kommt vor, wenn eine fremde Substanz in den Anus eingeführt wird.«
»Wie Rizin? Würde das vielleicht eine solche Reaktion hervorrufen?«
Grisha lehnte sich zurück und starrte an die Decke. »Theoretisch schon, nehme ich an.« Er setzte sich abrupt wieder auf. »Ich dachte, man hätte angenommen, dass er es eingeatmet hat?«
Carol schüttelte den Kopf. »Wir vermuteten, dass es in seinem Getränk oder dem Essen war.«
»Auf keinen Fall. Nicht, wenn Dr. Blessings Bericht über den Sterbeprozess korrekt ist. Es ist so, Carol … Die Symptome treten auf andere Art und Weise auf, wenn man Rizin mit der Nahrung aufnimmt, statt es einzuatmen. Aber wenn man es durch eine empfindliche Schleimhaut wie die des Rektums aufnimmt, dann wären die Symptome eher so wie beim Einatmen als bei der Aufnahme mit dem Essen. Also, bis zur Obduktion hätte ich mich für die Einatmungstheorie entschieden.«
Carol schüttelte den Kopf. »Alle, mit denen wir sprachen, haben hartnäckig behauptet, dass er keine Drogen nahm. Ich glaube nicht, dass sie versuchen, so das Andenken an ihn zu schützen. Ich denke, sie sagen die Wahrheit. Außerdem haben die Krankenhauslabore ihre Proben untersucht und keine Spuren von Freizeitdrogen gefunden.«
Grisha hob die Augenbrauen offensichtlich mit leichter Skepsis. »Je nach dem, was ihm gegeben wurde und wann er es genommen hat, wären keine Spuren mehr da gewesen, als sie ihre Proben nahmen. Aber wenn er wirklich keine Drogen geschnupft hat, würde ich sagen, dass das Rizin vielleicht auf diese Art und Weise in seinen Körper gekommen ist. Es müsste in einem Träger gewesen sein, einem Hartfettzäpfchen, einer Gelatinekapsel oder so etwas. Aber noch einmal – davon werden wir so lange danach keine Spuren mehr finden. Ich habe natürlich Proben genommen. Wir könnten Glück haben, aber verlassen Sie sich nicht drauf.«
Carol seufzte. »Großartig. Die Sache wächst sich zu einem teuflisch schwierigen Fall aus. Die Chefs und die Presse sind hinter mir her und wollen eine schnelle
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