Schleichendes Gift
Gänsefüßchen. »Er war der Fußballspieler. Einer aus unserer Stadt, aus dem ein Held geworden ist. Wir haben Robbie geliebt, sag ich dir. Geliebt. Sag also Raj, er soll Robbie zum Abschied von mir grüßen.«
Yousef rollte mit den Augen. War die Welt verrückt geworden? Hysterische Trauer um Robbie Bishop. Und keiner machte sich etwas aus den Todesopfern, die es jeden Tag im Irak, in Palästina und Afghanistan gab. Etwas war mit ihren Werten gründlich schiefgegangen. Er konnte nicht behaupten, dass er der perfekteste Moslem der Welt gewesen war, aber zumindest war sein Denken nie so verdreht gewesen wie das Imrans.
Imran schwieg und schlug mit den Fingern den Takt auf seinen Oberschenkeln, die in Jeans steckten, während seine Nikes auf der Gummimatte mitklopften. Das beschäftigte ihn für den Rest der Fahrt zum Manchester Airport. Yousef hielt in der Haltebucht vor Terminal eins und ließ den Motor laufen, während Imran seine Tasche nahm und ausstieg. Er steckte den Kopf noch einmal durch die Tür. »Mach’s gut, Yousef. Bis Montag.«
Yousef lächelte. Er würde Imran am Montag nicht sehen. Aber es war nicht nötig, seinem Cousin dies zu sagen.
Tony erwachte langsam aus seinem erholsamen Schlaf. Erholsam, weil er einer echten Erschöpfung folgte und nicht eine durch Medikamente ermöglichte Flucht war. Wer hätte gedacht, dass es so viel Kraft erfordern konnte, aus dem Bett aufzustehen, sich krampfhaft an den Gehbock klammernd drei Meter weit ins Bad zu humpeln, zu pinkeln und sich dann wieder ins Bett zu legen!
Als er sich auf die Kissen hatte zurücksinken lassen, war er von dem Gefühl erfüllt gewesen, einen kleinen Berg erklommen zu haben. Die Physiotherapeutin war mit seinem Fortschritt zufrieden und er selbst überglücklich. Sie hatte ihm für morgen Krücken versprochen. Die Aufregung brachte ihn fast um.
Er setzte sich auf, rieb sich den Schlaf aus den Augen und öffnete den Laptop. Bevor er eingeschlafen war, hatte er eine letzte Serie von Suchbegriffen eingegeben, war aber schon weggetreten, bevor die Suche zu Ende gegangen war. Er war nicht optimistisch gewesen, hatte sogar schon angefangen, sich damit abzufinden, dass er vielleicht das, was er suchte, nicht finden würde. Das hieß nicht, dass es nicht existierte, sondern nur, dass es zu gut versteckt war.
Der Monitor wurde jetzt hell, und zu seinem Erstaunen erschien in einem kleinen Fenster in der Mitte der Bildfläche: »(1)Treffer«. Die Klammern zeigten an, dass der Treffer nicht perfekt war, aber doch eine über neunzigprozentige Übereinstimmung mit den Suchbegriffen vorlag. Jetzt war Tony hellwach und rief die Suchergebnisse auf.
Es war ein Artikel aus einer Stadtteilzeitung aus der Gegend westlich von Sheffield. Er lieferte nicht viele Einzelheiten, aber genug, dass sie Tony zum Nachdenken brachten und zugleich Stoff für weitere ausführliche Suchaktionen boten.
Eifrig tippte er neue Vorgaben ein. Das würde interessant werden. Es sah aus, als würde er doch bald etwas haben, was er Carol zeigen konnte.
Sam Evans ließ seine Jacke an der Stuhllehne hängen und schlenderte aus dem Büro hinaus, als denke er an nichts Dringenderes als einen Gang zur Toilette. Als er jedoch die Tür hinter sich geschlossen hatte, beschleunigte er seine Schritte und ging auf die Aufzüge zu. Er fuhr zum Parkplatz hinunter und setzte sich in seinen Wagen, nahm sein Handy heraus und wählte Bindie Blyths Nummer.
Sie nahm beim zweiten Klingeln ab. Als er seinen Namen sagte, stöhnte sie. »Nicht noch mehr Fragen. Ihre Chefin hat heute früh schon angerufen.«
Schweißperlen erschienen auf Sams Stirn. Was wäre passiert, wenn er früher angerufen hätte, vor Carol Jordan? Wie hätte er das vor der Frau gerechtfertigt, die ihn sowieso schon als zu unsolidarisch betrachtete? Mist, er musste vorsichtig in dieser Sache sein. »Es tut mir leid, dass Sie zweimal gestört wurden. Wir verfolgen beide unsere eigene Ermittlungsrichtung«, erklärte er und hoffte inständig, dass er nicht den gleichen Ansatz hatte wie seine Chefin.
»Na, da bin ich aber erleichtert. Ich hätte keine Lust auf einen zweiten Ausflug in die abenteuerlichen Bereiche meines Sexuallebens. Also, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Im Februar schrieben Sie eine E-Mail an Robbie über einen Kerl, der Sie belästigte und bei Auftritten auftauchte. Dinge, die in Richtung Stalking gingen. Erinnern Sie sich?«
Bindie seufzte. »Und ob ich mich erinnere! Es wäre schwierig, das zu
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