Schleichendes Gift
noch nie an einer Lotterie teilgenommen. Ein Spiel für Dumme, hatte sie immer gedacht. Aber als sie das Blacksmith’s Arms am Rand von Dore betrat, fragte sie sich, ob sie sich vielleicht geirrt hatte. Danny Wades Haus lag nur eine Viertelmeile von dem Pub entfernt, und sie war auf dem Weg dorthin daran vorbeigekommen. Was sie durch die Tore hatte sehen können, entlockte ihr einen leisen Pfiff. Sie konnte sich viele Möglichkeiten vorstellen, eine solche Villa zu füllen, ohne auf Modelleisenbahnen zurückgreifen zu müssen. Sie machte sich geistig eine Notiz, der Frage nachzugehen, wer es erben würde. Es schadete nie, offensichtliche Kandidaten auszuschließen. Oder gerade nicht, wie sich oft zeigte.
Das Pub passte zur Umgebung. Paula schätzte, dass es viel neuer war, als es aussah. Zunächst einmal waren die Decken zu hoch. Sie vermutete, dass die Balken aus Styropor bestanden, aber das spielte keine Rolle. Sie wirkten echt. Die Bar war mit Holztäfelung und Chintz herausgeputzt, die Tische und Stühle so angeordnet, dass der Raum eher an einen Salon denn ein Lokal erinnerte. An einem Ende standen alte Kirchenbänke um eine Kaminecke herum, in der Holzscheite auf einem großen Eisenrost brannten.
Paula vermutete, dass hier zur Mittagessenzeit und am Wochenende allerhand los war. Aber um Viertel nach neun an einem Freitagabend war der Pub viel stiller als eine Kneipe in der Ortsmitte. Ein halbes Dutzend Tische waren von Pärchen oder Vierergruppen besetzt. Alle sahen wie Buchhalter oder führende Angestellte von Bausparkassen aus, fand Paula. Modisch, gutgekleidet und fast beängstigend auswechselbar. Stepford-Paare. In ihrer Lederjacke, schwarzen Jeans und ohne Begleitung fiel sie auf wie ein Hooligan mit Kapuze bei einer Tory-Feier. Als sie an die Bar ging, bemerkte sie, dass Gespräche unterbrochen wurden und man sich nach ihr umdrehte. Eine bürgerliche Variante von Wer Gewalt sät .
An der Bar saßen zwei Männer auf hohen Hockern. Sie trugen teure Pullover von Pringle sowie dunkle Hosen und hätten geradewegs vom Golfplatz in der Nähe kommen können. Als Paula näher trat, wurde ihr klar, dass die Männer offensichtlich ein paar Jahre jünger waren als sie selbst. Kaum Mitte zwanzig, vermutete sie. Ihr Vater hatte mehr Sinn für Abenteuer als diese jungen Leute, dachte sie. Das war wahrscheinlich ganz Danny Wades Fall.
Paula lächelte dem Barmann zu, der aussah, als wäre er besser in einer spanischen Karaoke-Bar aufgehoben als hier. »Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte er mit einem Akzent, der ihr Vorurteil bestätigte.
Ach Gott, wie satt sie diese alkoholfreien Getränke hatte, die sie bei der Arbeit immer trank. »Orangensaft mit Limonade, bitte«, antwortete sie. Während er ihr Getränk zubereitete, zog Paula das Bündel Fotos hervor. Es war sinnlos, lange um den heißen Brei herumzureden. Freundschaften würde sie hier sowieso nicht schließen. Weder mit dem spanischen Barmixer, den geklonten Nick Faldos noch den perfekten Paaren. Sie hielt ihren Dienstausweis bereit, als ihr das Glas gebracht und genau in die Mitte des Bierdeckels gestellt wurde. »Danke. Ich bin von der Polizei.«
Der Barmixer schien gelangweilt. »Geht auf Kosten des Hauses«, meinte er.
»Nein, danke. Ich zahle selbst.«
»Wie Sie wollen.« Er nahm das Geld und brachte ihr den Rest zurück. Die Träger der Pringle-Pullover starrten sie unverhohlen an.
»Ich ermittle im Todesfall Danny Wade. Er wohnte doch hier in der Nähe?«
»Ist es der, der vergiftet wurde?« Das Interesse des Barmixers war fast geweckt.
»Das kommt davon, wenn man billige ausländische Arbeitskräfte hat«, mischte sich der Pringle ein, der am nächsten saß. Er war entweder unglaublich dumm, unglaublich unsensibel oder unglaublich streitsüchtig. Paula wusste nicht genau, welches von den dreien. Sie würde seine nächste Äußerung abwarten müssen, um sichergehen zu können.
»Mr. Wade wurde vergiftet, das stimmt«, bestätigte sie ganz cool.
»Ich dachte, das wäre alles geklärt«, sagte der andere Pringle. »Die Haushälterin hat einen tragischen Fehler gemacht, ist es nicht so gewesen?«
»Wir müssen nur noch ein oder zwei Einzelheiten klären«, erklärte Paula.
»Verdammt noch mal, wollen Sie damit sagen, dass sie es absichtlich getan hat?«, fragte Pringle Nummer eins, drehte sich dabei ganz zu ihr um und warf ihr einen erwartungsvollen Blick zu.
»Kannten Sie Mr. Wade, Sir?«, erkundigte sie sich.
»Ich hab mal mit ihm
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