Schleier der Täuschung
Böden schmaler Häuserschluchten ausleuchteten, herrschten Wohlstand und Privilegien. Hier wohnten diejenigen, die ihre eigene, verfeinerte Luft atmeten, in privaten Himmelslimousinen herumflogen und mit eigenen Augen den feurig roten Sonnenuntergang über dem geschwungenen Horizont des Planeten sehen konnten. Diese Personen begaben sich nur unter die Zwei-Kilometer-Grenzen, um unlauteren Geschäften nachzugehen, oder aber, um die alten, statuengesäumten Wahrzeichen des Stadtplaneten zu besuchen. Es gab jedoch nicht mehr viele dieser Orte, denn die meisten waren unter der architektonischen Mittelmäßigkeit neuerer Gebäude begraben oder dazwischen eingemauert.
Eine der Ausnahmen war der Jedi-Tempel.
Als kilometerhohe, gestutzte Pyramide, gekrönt von fünf eleganten Türmen, ragte er über den umliegenden Bauwerken auf. Ganz bewusst war er von dem überlappenden Gewirr elektromagnetischer Felder auf Coruscant isoliert, und er trotzte stoisch der Modernisierung, die seit Jahrtausenden rings um ihn wütete. Unterhalb des Tempels erstreckten sich Dächer, Himmelsbrücken und Luftstraßen in einem Mosaik von prächtiger Symmetrie – Spiralen und Kreise, Kreuze und Dreiecke, Quadrate und Rauten –, wie ein gewaltiges Mandala oder das kurzlebige Gegenstück zu den Sternenkonstellationen hoch oben am Himmel.
Der Tempel wirkte gleichzeitig beruhigend und abweisend. Einerseits war er eine beständige Erinnerung an eine frühere, weniger komplizierte Welt, andererseits aber auch von asketischer Kargheit und unzugänglich für jeden Touristen oder irgendein anderes Wesen, dessen Besuch nur von Neugier motiviert war.
Die Architektur des Tempels, so hieß es, war symbolisch für den Weg des Padawans zur Erleuchtung – zur Einheit mit der Macht, die man nur durch die Einhaltung des Jedi-Kodexes erreichte. Doch die Architektur diente auch einem zweiten, weit praxisorientierteren Zweck, denn das Quintett der Türme, von denen vier in alle Himmelsrichtungen wiesen und einer zentral inmitten dieser stand, verfügte über zahlreiche Antennen und Transmitter. Mit ihrer Hilfe blieben die Jedi über alle Entwicklungen und die Krisen in der Galaxis, der sie dienten, auf dem Laufenden.
So war der Tempel nun gleichermaßen ein Ort der Reflexion und der sozialen Verantwortung.
Nirgends wurde diese doppelte Funktion offensichtlicher als im hoch oben gelegenen Versammlungsraum des Rates der Schlichtung. Ebenso wie der Saal des Hohen Rates, der sich an der Spitze des benachbarten Turmes befand, war auch dieser Raum rund, mit einer gewölbten Decke und hohen Fenstern ringsum. Doch während sich in dem anderen Turm ein Kreis aus Sesseln befand, wo die zwölf Mitglieder des Hohen Rates über Angelegenheiten von gewaltiger Tragweite diskutierten, ging es hier weniger formell zu.
Drei Tage waren seit Qui-Gon Jinns Rückkehr nach Coruscant vergangen, doch erst jetzt hatte der Rat der Schlichtung ihn um eine Unterredung gebeten. Der Jedi hatte die Zeit größtenteils für Meditationen, das Lesen alter Texte und Spaziergänge durch die schwach beleuchteten Korridore des Tempels genutzt, hin und wieder aber auch an Lichtschwertübungen mit anderen Jedi-Rittern oder Padawanen teilgenommen.
Durch einige Kontakte im Galaktischen Senat hatte er erfahren, dass die Handelsföderation die Republik drängte, gegen die terroristischen Akte vorzugehen. Darüber hinaus verlangten die Neimoidianer, dass man ihnen angesichts der ständigen Bedrohung gestattete, ihr Kontingent an Sicherheitsdroiden aufzustocken. Obgleich derartige Forderungen alles andere als neu waren, hatte es Qui-Gon doch erstaunt, dass die Föderation behauptete, Captain Cohl hätte nicht nur die Rendite zerstört, sondern auch eine große Ladung Aurodiumbarren gestohlen, deren Wert mit mehreren Milliarden Credits beziffert wurde.
Er hatte sich vorgenommen, den Rat der Schlichtung nach dieser Sache zu fragen, und als er nun vor seine Mitglieder trat, stellte sich heraus, dass sie ebenfalls über diesen jüngsten Vorfall bei Dorvalla sprechen wollten.
Viele Jedi glaubten, dass Qui-Gon schon längst einen Sitz im Hohen Rat hätte, wäre da nicht seine Neigung gewesen, die Regeln allzu großzügig auszulegen und seinem eigenen Instinkt zu folgen – selbst, wenn dieser Instinkt der geballten Weisheit der Ratsmitglieder zuwiderlief. Damit machte er sich bei den Jedi-Meistern nicht gerade beliebt. Tatsächlich begegneten viele von ihnen Qui-Gon nicht wie einem normalen Ordensbruder.
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