Schleier der Traeume
jetzt da und bringt alles wieder in Ordnung. Sie wird mir helfen, nach Hause zurückzukehren
.
»Wann holen Sie Ihre Nachrichten endlich mal selbst im Büro ab, Sean?«, fragte Rita vom Telefonauftragsdienst. »Wir haben nämlich eine Wette über Sie laufen.«
»Tatsächlich?« Sean Meriden sah vor einem Feinkostladen einen Parkplatz frei werden und kam mit seinem Mustang Cobra einem Anzugträger im silbernen Beemer knapp zuvor. »Um wie viel Geld geht’s denn?«
»Um hundertzehn Dollar jetzt.« Sie ließ ihr Kaugummi platzen. »Es gewinnt, wer richtig liegt, welchen Rang Sie auf der
Lost
-Skala einnehmen.«
Er grinste, als der Fahrer des Beemer hupte und seinen teuren Wagen wieder beschleunigte. »Und was ist das für eine Skala?«
»
Lost
– Sie kennen die Fernsehserie doch? Wir haben den Schauspielern Punkte von eins bis zehn gegeben«, erklärte Rita. »Zehn steht für Josh Holloway, eins für den, der Ben spielt und immer die Augen so aufreißt.«
Womit Frauen sich nun mal so beschäftigten. »Wer hat fünf Punkte?«
»Desmond.« Sie seufzte. »Er sieht nicht schlecht aus, aber sein dämlicher schottischer Akzent und dass er ständig alle Männer ›Bruder‹ nennt, geht allen auf die Nerven.«
»Ich lass den Gewinn lieber noch ein bisschen steigen.« Meriden schloss den Wagen ab, warf Münzen in die Parkuhr und genoss das Gaffen ringsum. Sein rot-weißer Sportwagen mochte ein Oldtimer sein, zog aber noch immer den neidischen Blick aller Männer mittleren Alters auf sich. Die Frauen dagegen achteten mehr auf Meriden. »Sonst noch Anrufe?«
»Einige.« Am anderen Ende der Leitung raschelte Papier. »Mr Dansant hat sich gegen Mitternacht gemeldet und lässt ausrichten, er hat die zweite Wohnung vermietet. Eine Nummer hat er nicht hinterlassen, auch nicht um Rückruf gebeten.«
»Nein«, erwiderte Meriden, und sein Lächeln erstarb. »Wozu auch.«
»Der letzte Anruf kam eine Stunde vor Beginn der Tagschicht: ein Gerald King von King-Immobilien, Manhattan.« Sie kicherte. »Er will mit Ihnen über einen Auftrag reden, den Sie erledigen sollen, und hat seine Privatnummer hinterlassen. Die habe ich Ihnen gesimst.«
Er musste nicht überlegen, wer King war – in Manhattan war er bekannt wie Donald Trump. »Wenn er Ihnen seine Nummer gegeben hat, war das unmöglich Gerald King.«
»Das habe ich meiner Chefin beim Anhören der über Nacht für Sie eingegangenen Anrufe auch gesagt. Sie meinte, es ist womöglich ein Deckname für einen Prominenten, der Ihre Hilfe braucht.« Rita kicherte erneut. »Manchmal bekommen Sie die abgefahrensten Nachrichten, Sean.«
»So ist das in meinem Beruf, Schätzchen.« Er sah die Straße entlang, bis er eine Telefonzelle entdeckte. »Ich rufe gegen Mittag wieder an. Schicken Sie mir eine SMS aufs Handy, falls was Dringendes reinkommt.«
»Ich hab zwanzig Dollar auf neun Punkte gesetzt«, gestand Rita. »Sie müssen ein Matthew Fox sein – groß, etwas abgerissen, tätowiert und arg ramponiert, aber der geborene Held. Das war mir beim Telefonieren mit Ihnen sofort klar.« Sie legte auf, bevor er etwas antworten konnte.
Meriden musterte seinen rechten Unterarm, auf dessen Innenseite das Tattoo eines schlangenartigen, scharlachroten Drachen prangte, den manche auf den ersten Blick für Blut oder eine üble Verbrennung hielten.
Der geborene Held
. Wenn Rita wüsste …
Auf dem Weg zur Telefonzelle öffnete Meriden die SMS mit Kings Nummer. Nie rief er seine Kunden vom Handy an, damit die nicht jederzeit zurückrufen oder sogar seinen Standort herausfinden konnten. Sein Auftragsdienst nahm alle Anrufe entgegen, die an die auf seiner Visitenkarte aufgedruckte Nummer gingen, und wenn er zurückrief, dann nur aus öffentlichen Telefonzellen.
Er wählte die Nummer aus der SMS und wartete.
Beim dritten Läuten meldete sich eine leise, nüchterne Männerstimme. »Hallo.«
»Hier Sean Meriden. Gerald King hat diese Nummer bei meinem Auftragsdienst hinterlassen und mich gebeten, mich wegen eines Auftrags zu melden.«
»Ja, der Anruf kam von mir, Mr Meriden. Sie wissen vermutlich, wer ich bin?«
»Gerald King ist vor fünf Jahren gestorben«, erklärte Sean. »Stand in allen Zeitungen. Sind Sie sein Sohn oder finden Sie das einen cleveren Decknamen?«
»Vor fünf Jahren wollte mich jemand töten«, erwiderte King. »Um einem weiteren Versuch vorzubeugen, lasse ich die Öffentlichkeit in dem Glauben, damals umgekommen zu sein.«
King hatte vor seinem Tod – oder seinem
Weitere Kostenlose Bücher