Schleier der Traeume

Mittelalters seien den Massengräbern als Vampire entstiegen, ist so alt und unverwüstlich wie die Legende von Ungeheuern im Loch Ness und die Schauermärchen von Werwolfattacken bei Vollmond.« Er griff unter die Theke und legte ein Buch zu ihrem Stapel. »Ein Vorabexemplar des neuen Romans von Patricia Briggs für den Buchhandel.« Rowan wollte erneut ihr Portemonnaie zücken, doch er setzte hinzu: »Das gibt’s gratis. Ich hätte dich nie für eine Freundin dieser Gestaltwandlerhirngespinste gehalten.«
    »Sie ist die Einzige, die den Nagel auf den Kopf trifft«, murmelte Rowan, sah dann aber rasch auf. »Ich meine, ich liebe ihre Art zu schreiben.«
    »Na, falls du wieder vorbeisiehst, mach ich dich mit ihrer neuen Serie für Mondsüchtige und Werwolf-Anhänger bekannt.« Er streckte ihr die Hand über den Tresen entgegen. »Pass gut auf dich auf.«
    »Das werde ich. Danke, Mr Stallworth.« Sie spürte eine unwillkommene, aber allzu bekannte Empfindung, die nichts mit Fell oder Mond zu tun hatte. Mühsam unterdrückte sie den unvermuteten Drang, sich zu verwandeln. »Und grüßen Sie Ihre Frau.«
    Beim Verlassen des Buchladens hatte Rowan ein seltsames Gefühl und blickte sich um.
    Sie erkannte niemanden unter den Leuten auf dem Gehsteig, aber der Eindruck, beobachtet zu werden, die Passage aus dem alten Buch und Stallworths Bemerkungen waren ihr nicht geheuer. Sie verzichtete auf den Besuch der Bibliothek und ging zum Restaurant zurück.
    Der Mann, den sie nicht bemerkt hatte, wartete, bis sie außer Sicht war, und betrat dann die Buchhandlung.

DRITTER TEIL:
Trouvaille

29. Sept. 2008
    Tanglewood Mittelschule
    Biologieunterricht bei Mrs Withers (achte Klasse)
    Komplette Umgestaltung: Wie rekombinante DNA uns eines Tages alle zu Supermodels machen könnte (und uns dabei nicht mal auf bakteriellem Weg verabfolgt werden muss).
    Ein Projektvorschlag für die Wissenschaftsmesse
    von Tiffany Angela Ephram
    Mein Biologieprojekt für die diesjährige Wissenschaftsmesse unserer Schule befasst sich mit rekombinanter DNA und damit, wie Ärzte sie eines Tages vielleicht nutzen können, sodass jeder, der sein Aussehen verändern möchte, dies tun kann – bis hin zur kompletten Umgestaltung des Körpers, die uns so schön macht wie ein Supermodel.
    Rekombinante DNA wird schon heute auf drei Arten hergestellt: durch die Verabfolgung von Bakteriophagen sowie durch bakterielle und nichtbakterielle Umwandlung. Bakterielle und bakteriophage Prozesse erfordern die Veränderung der Original- DNA , etwa durch Restriktionsenzyme und Antibiotika-Marker. Neue DNA wird verabfolgt und soll die vorhandene DNA reparieren, indem sie die Reihenfolge der Moleküle ändert. Ich würde gerne eine dieser Methoden erforschen, aber nachdem ich dieses Jahr schon viermal Halsentzündung hatte, wollen meine Eltern nicht, dass ich mich vorsätzlich Bakterien aussetze. Darum konzentriere ich mich auf die nicht-bakterielle Verabfolgung.
    Für diese Art von r DNA (rekombinante DNA ) sind keine Bazillen notwendig. Ein Arzt kann eine minimale Menge injizieren, die der vorhandenen DNA neue DNA hinzufügt, und die neuen Gene übernehmen das Kommando und ersetzen die unerwünschten DNA -Sequenzen. Einige Wissenschaftler haben auch ein Verfahren entwickelt, die neue DNA durch Ligation oder durch winzige Gold- und Wolframpartikel zu verabfolgen, die mit dieser DNA beschichtet sind und wie tausend kleinste Kügelchen in den Körper des Patienten geschossen werden. Dieses Hochgeschwindigkeitsbombardement mit Mikroprojektilen verletzt den Patienten nicht und bringt die neue DNA ebenso zuverlässig in den Körper ein wie die Mikroinjektion.
    Keines dieser Verfahren funktioniert sonderlich gut, sofern nicht einige andere Dinge gleichzeitig geschehen. Sobald die r DNA im Patienten ist, muss die vorhandene DNA durch körpereigene Signale dazu gebracht werden, die neuen Gene zu akzeptieren. Diese Signale werden von Vektoren gesandt, und die müssen die neue DNA erst verstehen und akzeptieren, bevor sie dem Körper signalisieren, das Gleiche zu tun. Einige Wissenschaftler glauben, der Körper brauche einen sehr guten Grund, um die r DNA anzunehmen – zum Beispiel eine tödliche Krankheit oder Verletzung.
    Wegen ihrer vielen wertvollen Verwendungsmöglichkeiten wird r DNA für den Menschen wichtig. Wissenschaftler zum Beispiel verwenden sie, um Nutzpflanzen anzubauen, die wetterresistenter sind, und um Arzneien herzustellen, die Patienten mit schweren Leiden helfen,