Schleier des Herzens (German Edition)
müssen, zum Glück nicht, wie bei den Christen üblich, im Beisein seiner Gattin. Zarah würde sein Blut dabei nicht zum Rauschen bringen. Amir begann wieder, erschöpft und zerquält auszusehen.
Sein Freund Hammad betrachtete das mit Sorge. Zarah tat Amir nicht gut, aber das Liebesleben des Emirs ging den Heerführer nun wirklich nichts an. Er selbst war überglücklich, zumal mit dem neuen Amt ein pompöser Dienstsitz verbunden war. Amir versprach, ihm das Haus des alten Wesirs zum Geschenk zu machen. Bislang wurde es zwar noch von Mammars Dienern und Frauen bewohnt, aber spätestens nach dessen Hinrichtung würde es geräumt und die Wertgegenstände als Ausgleich für die von Mammar verursachten Schäden verkauft werden. Der neue Wesir beanspruchte die Villa nicht, Al Taíf besaß ein prächtiges Anwesen im jüdischen Viertel.
Auch in Bezug auf Ayesha war der neue Heerführer guten Mutes. Er schrieb ihr offen Briefe in den Harem, und der Emir duldete das. Sicher würde er mit Ayeshas Übersiedlung in Hammads Harem einverstanden sein. Über die näheren Umstände musste allerdings noch verhandelt werden.
»Wenn Hammad mich wirklich heiraten will, kaufe ichmich vorher frei!«, erklärte Ayesha stolz. »Dann ist es fast so, als ob er ein Mädchen aus guter Famihe zur Gattin nähme, und nicht eine Sklavin.«
Beatriz hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. Seit Amirs Rückkehr war sie in sich gekehrt und blass, erst recht, nachdem sie wusste, dass Amir seitdem jede Nacht in Zarahs Räumen verbrachte oder die Frau zu sich rufen ließ. Über diese neu entflammte Liebe zwischen dem Emir und seiner Gattin klatschte der ganze Harem, nur Mustafa, Blodwen und Zarahs andere Opfer schwiegen. Ein Ende ihrer Qualen war nicht in Sicht. Im Gegenteil: Blieb Amir Zarahs Bett doch eine Nacht lang fern, so feierte sie noch härtere und blutigere Orgien.
»Es ist, als hielte sie sich an uns schadlos für Demütigungen, die sie durch ihn erfährt ...«, klagte Mustafa.
Die offensichtliche Pein des jungen Eunuchen hatte sogar Beatriz’ Lethargie gebrochen. Sie befahl ihm, sich hinzulegen und seinen Rücken zu entblößen. Die Haut war blutig und aufgeplatzt von Peitschenhieben. Beatriz strich Salbe darauf und gab Mustafa den Hegel mit. Ihr Taktgefühl verbot ihr, zu fragen, an welchen Körperteilen Zarah sich noch vergangen hatte, aber der breitbeinige, schwerfällige Gang des Jungen verriet es ihr.
»Aber der Emir verlangt von seinen Frauen keine Demütigungen.« Beatriz verteidigte Amir, und ihr Herz blutete beim Gedanken an seine zärtlichen Liebkosungen, seine Bewunderung und Achtung für die Frau in seinen Armen.
»Zarahs Stolz dürfte es schon beleidigen, wenn er auf ihr liegt oder gar ein freundliches Wort von ihr verlangt. Wenn sie ihn ihren Herrn nennen muss oder ihren Geliebten. Das ist es, was sie von uns verlangt. Anbetung, Liebesschwüre, und dann straft sie uns dafür oder erwartet, dass wir uns gegenseitig strafen. Es ist die Hölle – odervielleicht ist es Magie. Sie saugt uns die Kraft aus, um ihn fesseln zu können ...« Mustafa stöhnte, als er sich aufrichtete.
»Es tut mir Leid, dass ich nichts für euch tun konnte«, sagte Beatriz leise. »Ich habe es versucht, wirklich. Aber der Krieg kam dazwischen. Und jetzt ... jetzt ist alles anders ...«
Hilflos sah Mustafa zu, wie sie weinte. Er hätte sie gern in den Arm genommen, aber er wagte es nicht. Es wäre ungeheuerlich gewesen, ihr seine Gefühle zu offenbaren. Sicher würde sie sich abgestoßen fühlen, vielleicht beleidigt, womöglich würde sie ihn hassen. Er war kein Mann mehr, der ihr seine Liebe andienen dürfte. Er konnte und dürfte nicht um sie werben, würde sie niemals glücklich machen können – und doch liebte er sie mit jeder Faser seines Herzens und verbrachte Stunden damit, von ihr zu träumen. In seiner Phantasie war er nicht Mustafa, der Eunuch, sondern Léon, der Ritter, der spanische Grande, der er hätte werden sollen. Er sah sich Kämpfe für sie ausfechten, stellte sich vor, wie sie ihm huldvoll ein Halstuch reichte, das er als Zeichen seiner Dame um seine Lanze wand. Wenn das Turnier dann gewonnen war, erbat er sich ihre Hand als einzigen Preis ... und dann ... nein, dann schob sich das Messer des Kurpfuschers vor sein Auge, das damals sein Leben als Mann beendet hatte.
Immerhin konnte Mustafa Beatriz jedoch Freund und Vertrauter sein, viel mehr als Ayesha und Susanna, die ihre verzweifelte Stimmung und ihre Haltung gegenüber Amir
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