Schleier des Herzens (German Edition)
wohl auch in Kastilien gelehrt. Mir ist allerdings neu, dass man sie dort Edelfrauen vermittelt; bisher hörte ich nur von gut geschulten Huren in den Freudenhäusern der Reichen.«
Beatriz fühlte ebenfalls Wut in sich aufsteigen, aber sie versuchte, sie niederzukämpfen. Ayesha hatte sie gewarnt; Zarah war nicht nur eine Meisterin der Liebe, sondern auch gewieft in den Künsten der Manipulation. Beatriz durfte sich nicht provozieren lassen.
»Tja, manche Leute müssen die Kunst eben mühsam erlernen, und andere werden von der Natur mit entsprechenden Talenten ausgestattet.« Beatriz gab den Versuch auf, die Schrift auf ihrem Leib zu verbergen und räkelte sich erneut in voller Schönheit im Becken. »Das ist wie mit einem schönen Körper ...«, fügte sie fast heiter hinzu, wobei sie Zarahs groben Knochenbau mit einem weiteren, abschätzenden Blick bedachte. Ohne erlesene Kleidung, die ihre Formen umspielte und hier etwas weicher zeichnete, da etwas fülliger erscheinen ließ, war Zarahs Figur allenfalls durchschnittlich. »Die eine hat ihn, die andere muss lebenslang daran arbeiten. Ich mag dich nicht länger davon abhalten, Zarah, sicher willst du schwimmen!«
Mit der Haltung einer Königin erhob sich Beatriz und entstieg dem Becken. Zarah betrachtete ihre wiegenden Hüften, ihre festen Schenkel, die wohl gerundeten Brüste.
»Schönheit vergeht«, sagte sie hasserfüllt. »Und Henna verblasst. Wankelmütig ist die Liebe eines Fürsten.«
Beatriz wandte sich noch einmal um und setzte ihren letzten Pfeil.
»Dann sollte ich mein Siegel auf dem Körper deines Gatten oftmals erneuern. Bislang habe ich mich darauf beschränkt, seine Lanze mit Rosen zu umwinden. Wenn ich erst meinen Namen schreibe, ist er verloren.«
Zarah verließ die Bäder und verbrachte den Tag brütend vor Wut in ihren Gemächern. Am Abend brannte sie lichterloh, sie würde nicht ruhen, bevor jemand in diesem Feuer versengt worden war. Aber sie konnte Amir nichtzu sich rufen, nein, nicht, bevor die Wut erkaltet war. Rache ist ein Gericht, das man kalt genießt!
Doch Beatriz hatte ja noch einen anderen Bewunderer. Mustafa, dieser kleine Eunuch, schlich dauernd um sie herum. Und sie schien ihn zu hätscheln wie ein Schoßtier. Zarah lächelte kalt. Dieses Spielzeug würde sie heute Nacht zerbrechen.
Beatriz war nicht minder aufgewühlt, als sie die Bäder verließ.
Ruhelos wanderte sie durch die Gärten des Harems und ließ schließlich Mustafa kommen, um sich die Zeit mit ein paar Gedichten vertreiben zu lassen.
Der junge Eunuch schien jedoch ebenso wenig bei der Sache zu sein wie sie selbst. Er war bleich und wirkte fahrig, verschüttete schließlich Fruchtsaft über ihre Füße und schien darüber gänzlich in Panik zu geraten. Er warf sich zitternd, fast um Gnade wimmernd auf den Boden, schien Schläge zu erwarten und wagte nicht aufzusehen, bis Beatriz sich gereinigt hatte und beruhigend auf ihn einsprach.
»Léon, was hast du denn? Hat dir jemand etwas getan? Schlägt man euch? Ich kann mir das von Hassan gar nicht vorstellen. Oder ist es eine der Frauen? Quält dich jemand? Sag es mir einfach, Léon. Ich kann dich sicher davon befreien, ich brauche Hassan nur zu bitten, dich mir ganztags zur Verfügung zu stellen.«
Mustafa schüttelte den Kopf und krampfte sich noch mehr zusammen, als Beatriz ihm freundlich übers Haar streichen wollte.
»Es ist nichts, Herrin ...«, flüsterte der Junge. Was sollte es ihm auch nützen, wenn Beatriz ihn tagsüber bei sich behielt? Zarah hatte ihn für den Abend zu sich befohlen. Er würde dem Ruf folgen ...
Kalim, einer seiner Leidensgenossen, tat es an diesem Abend nicht. Zarah, die zwei Eunuchen und drei Mädchen zu sich bestellt hatte, tobte darüber vor Wut. Sie versuchte, Auskünfte über Kalims Verbleib aus Mustafa und den Mädchen herauszuprügeln, bewirkte aber nichts. Schließlich passte sie ihre Spiele der neuen Konstellation an. Mustafa und die Mädchen versanken in einem Strudel von Gier und Quälsucht, Schmerz, Scham und Angst.
Beatriz hörte ein Wimmern, als sie am Morgen – noch früher als bisher, um Zarah ja nicht zu treffen – zu den Bädern ging. Sie hatte ohnehin nicht schlafen können, irgendeine Form von Unruhe hielt sie wach. Wenn sie träumte, sah sie Léons Kindergesicht in einem Meer von Blut und hörte Diego nach sich rufen. Sie fühlte schmerzliches Verlangen, ihr Körper glühte, aber sie mochte sich nicht eingestehen, dass er nach Amirs schlankem,
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