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Schleier des Herzens (German Edition)

Schleier des Herzens (German Edition)

Titel: Schleier des Herzens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Wings
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geschmeidigem Leib schrie. Schließlich stand sie schweißgebadet auf und suchte Kühlung in den Bädern. Aber woher kam dieses Weinen, dieses hohe Klagen, das sich zu einem Crescendo steigerte und dann plötzlich abbrach? Alarmiert wandte sich Beatriz in die Richtung der Schreie.
    Sie meinte, sie hinter Zarahs Tür ausmachen zu können, aber als sie stehen blieb und horchte, war nur ein Lachen zu hören. Und Harfespiel, leises, klagendes Harfespiel. Beatriz dachte an Blodwen, das rothaarige Mädchen aus dem fernen Irland, das dieses Instrument so meisterhaft beherrschte. Als sie neulich mit Blodwen und Ayesha zusammen musiziert hatte, hatte sie von ihrer Heimat erzählt.
    »Die Götter sprechen zu uns durch den Klang der Harfe. Die Harfe kündet von Geburt und Tod, sie kann den Krieg beschwören oder die Liebe, und manche Harfner statten die Götter mit der Gabe aus, durch ihren Klang Leben zu erschaffen und zu vernichten ...«
    Die Harfe, die dort drinnen gespielt wurde, wollte töten.
    Beatriz drängte es auf einmal nicht mehr in die Bäder, sie sehnte sich nach frischer Luft, brauchte die Weite ... Aber wo fand sich ein weiter Ausblick im Harem? Beatriz entdeckte eine Pforte am anderen Ende des Korridors. Seltsam, immer wenn sie bisher hier gegangen war, hatte dort ein Eunuch gestanden und sie bewacht. Es musste also ein Weg nach draußen sein ... Aufgeregt betätigte Beatriz die Klinke.
    Und tatsächlich – die Tür schwang auf. Atemlos trat das Mädchen in einen anderen Korridor. Es sah nicht aus, als lägen hier fürstliche Gemächer, die einfache Einrichtung sprach mehr dafür, dass in den angrenzenden Räumen Eunuchen oder die sonstige Dienerschaft untergebracht waren. Aber es gab eine Treppe nach oben. Beatriz stieg neugierig hinauf. Sie fühlte sich herrlich lebendig vor Unternehmungsgeist, in den sich aber auch etwas Angst mischte. Was würde passieren, wenn man sie hier erwischte? Aber bald spürte sie einen kühlen Lufthauch. Rasch brachte sie die letzten Stufen hinter sich und stand dann mit stockendem Herzen in einer Wunderwelt von Blumen und Wasserspielen. Offensichtlich war sie in einem Dachgarten gelandet. Rosenranken bildeten blühende Pforten, Orchideen versprühten sinnlichen Duft, Magnolien schienen sich ihr entgegenzuranken, Mimosen schamhaft zurückzuweichen. Und all diese Pracht umrahmte nur ein noch schöneres Bild: eine atemberaubende Aussicht auf die Stadt.
    Granada lag blutrot im Licht der aufgehenden Sonne. Beatriz konnte sich nicht satt sehen. Aber es war gefährlich, sich diesem Rausch von Farben und Freiheit zu ergeben. Es musste gefährlich sein. Denn dies war sicher kein öffentlicher Park, angelegt, Eunuchen und Diener zu erfreuen! Das hier war ein Privatgarten. Und Gott alleinwusste, wem er gehörte ... Gott allein? Wie töricht sie war. Beatriz erinnerte sich an die Worte Ayeshas: ›Jeder Harem hat einen Zugang zu den Gemächern des Herrn ...‹
    Beatriz wirbelte herum, sie musste fliehen, sie ...
    »Beatriz ...«, sagte eine warme, tiefe Stimme. »Beatriz, du bist zu mir gekommen!«
    Der Emir stand, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, am anderen Ende des Gartens. Wie die meisten maurischen Höfe öffnete sich wohl auch dieser zu den Wohnräumen. Womöglich zum Schlafzimmer des Herrschers ... Oder war es Amir genauso ergangen wie ihr? Hatte auch er nicht schlafen können in dieser schwülen, angstgeschwängerten Nacht?
    »Nein, ich ... ich habe mich verlaufen ...« Beatriz wurde erschreckend bewusst, dass auch sie ziemlich leicht bekleidet war. Sie war unverschleiert, nur ein dünnes Nachtgewand verhüllte ihre Blöße für den Gang zu den Bädern. »Ich wollte zu den Bädern, ich ...«
    »Dann hat Allah dich zu mir geführt ...« Amir kam auf sie zu, und Beatriz hatte nicht die Kraft, sich zum Gehen zu wenden. Wie hypnotisiert blieb sie stehen, ließ zu, dass er die Arme um sie legte.
    »Beatriz, meine Morgensonne. Im ersten Licht des Tages sollst du mir gehören. So ist es uns bestimmt, wehr dich nicht länger ...«
    Amir küsste ihre Stirn, ihre Augen, ihre Wangen, presste sie an seine harte Brust. Beatriz ließ es wie in Trance geschehen, fühlte sich seltsam schwerelos und schwebend in dieser heißen Nacht unter dem Sternenhimmel von Granada. Es war fast, als hätte sie sich von ihrem Körper, von ihren Ängsten und Bedenken gelöst, als wäre ihre Seele endlich frei und offen für eine neue Begegnung, als könnte die Liebe alles hinwegspülen, was bisher zwischen ihr

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