Schleier des Herzens (German Edition)
Abbruch.«
Amirs Gesicht wurde hart.
»Sieh an, ein Diplomat! Aber kein sehr erfahrener, wie ich sehe. Ihr würdet Euch sonst kaum an vorderster Front ins Gefecht stürzen, wo jeder kleine Krieger Euch ohne Wissen um Eure unglaubliche Wichtigkeit ins Jenseits befördern könnte. Die meisten kleinen Krieger in Granada beherrschen Euer Idiom nämlich nicht, und ich nehme nicht an, dass Ihr Euren hübschen Spruch auch in meiner Sprache aufsagen könnt.«
»Ich muss mich hier nicht rechtfertigen, ich muss ...«
»Ich will Euch sagen, was Ihr tun müsst«, unterbrach ihn Amir mit scharfer Stimme. »Ihr müsst Euch nun in eine etwas würdigere Position begeben und dann so anmutig wie Euer Panzer es erlaubt das Knie beugen vor dem Emir von Granada! « Amir zog die Lanze zurück, ließ sein Pferd ein paar Schritte rückwärts gehen und gab dem Ritter Raum, auf die Füße zu taumeln.
Verlegen verbeugte sich der Conte und murmelte eine Entschuldigung.
»Ich habe nicht gewusst ... Hört, Herr, wollen wir die Verhandlungen wirklich hier auf dem Schlachtfeld führen?«
Rund um die beiden Ritter tobten weitere Scharmützel. Allerdings war es Amir schon lange klar, dass die Christen ihren Angriff nicht sehr ernst meinten. Dies hier schien eher ein Schreckschuss des kastilianischen Herrschers zu sein als ein Feldzug im Rahmen der ›Reconquista‹, der ›Rückeroberung‹ Andalusiens von den maurischen ›Besetzern‹. Letztere waren dort zwar schon seit siebenhundert Jahren ansässig, also bevor das Königreich Kastilien überhaupt gegründet wurde, aber das störte die Christen nicht. Sie waren felsenfest davon überzeugt, ein Anrecht auf das Land der Mauren zu haben, und Amir machte sich keine Illusionen: Irgendwann würden sie es sich holen. Aber nicht jetzt. Nicht von ihm. Er würde diesen Don Miguel noch ein bisschen weiter ärgern und sich dann mit ihm treffen, um die Gründe für den Angriff auszuloten und diplomatisch aus der Welt zu schaffen.
Jetzt warf er jedenfalls erst mal stolz den Kopf zurück.
»Welche Verhandlungen? Gut, Don Miguel, Ihr liegt nicht mehr auf dem Rücken, aber in der Position für die Stellung von Ultimaten seid Ihr nun auch nicht. Bislang sehe ich keinen Grund, eine Auseinandersetzung, die Ihr auf dem Schlachtfeld angefangen habt, in die Salons zu verlegen. Meine Männer würden es mir übel nehmen, sie dürsten nach wie vor nach Blut. Wir warten auf die Entscheidungsschlacht, Herr Botschafter!«
Tatsächlich hatte es bislang keine echte Schlacht gegeben. Beide Heere lagen sich nur gegenüber. Und auch wenn es jeden Tag zu Kämpfen kam: Keine Seite hattemehr Tote zu beklagen als bei sonstigen Ghazus und Cabalgadas.
»Wir könnten das Blutvergießen beenden ...«, versuchte Don Miguel es noch einmal.
Amir lächelte sardonisch. »Warum sollten wir? Von meiner Warte aus besteht da keine Notwendigkeit. Ihr,. mein Freund, habt angefangen. Wann wir das hier beenden, bestimme ich.«
Der Emir sah sich um und erkannte ein paar Männer seiner Leibgarde, die ihre Kämpfe gerade beendet hatten. Ihre Gegner flohen, Hammad sammelte ihre Pferde ein.
»Hammad, Karim! Begleitet diesen Herrn doch bitte sicher zu den Zelten der Kastilier. Ihm darf nichts geschehen, der König könnte es uns übel nehmen. Und prägt euch seine Rüstung und sein Pferd gut ein, er ist sakrosankt, niemand darf ihn in Zukunft aus dem Sattel werfen. – Es war mir ein Vergnügen, Don Miguel!«
Amir verbeugte sich leicht und ritt lachend davon.
Die Verhandlungen mit diesem Mann dürften interessant werden. Amir liebte es, mit christlichen Botschaftern zu spielen. Wenn sie ihm nur nicht immer so aufgeblasene Dummköpfe schicken würden!
Leider erwarteten Amir keine guten Nachrichten, als er schließlich, staubig vom Kampf, aber zufrieden mit dem Verlauf des Tages, in sein Zelt zurückkehrte. Sein Diener hielt Wasser zum Waschen bereit, sah dabei aber etwas unglücklich drein.
»Herr, vorhin ist ein Bote aus Granada für Euch eingetroffen. Er meint, er wolle Euch sofort sehen. Ich sagte ihm, es reiche doch wohl, nachdem Ihr Euch gereinigt habt, aber er ...«
Alarmiert sah Amir auf. »So dringlich? Warum habt ihr mich nicht vom Schlachtfeld holen lassen? Aber jetzt lassden Mann auf der Stelle zu mir, das Wasser wird so schnell nicht verdunsten !«
Mit einem bedauernden Blick auf den dampfenden Bottich tauchte Amir nur rasch seine Arme in ein Gefäß mit kaltem Wasser und spritzte sich ein paar Tropfen ins Gesicht. Dann war
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