Schleier des Herzens (German Edition)
wirkte er etwas stutzerhaft und deutlich kleiner als vorhin auf dem Schlachtfeld. Aber er war ein schöner Mann mit aristokratischen, stolzen Zügen und einem gepflegten Spitzbart. Allerdings bewegte er sich nicht sehr elegant. Als er sich vor dem Emir verneigte, verzog er schmerzhaft das Gesicht.
»Was macht Euer Hintern, Don Miguel?«, fragte ihnAmir leicht belustigt. »Man fällt hart in diesen Rüstungen und von diesen großen Pferden.«
Don Miguel verzog den Mund. »Das sind nur kleine Blessuren, Herr. Aber nun sprecht. Ihr wolltet Verhandlungen. Also beantwortet zunächst meine Frage: Was habt Ihr Euch dabei gedacht, meinen König zu brüskieren?«
Amir runzelte die Stirn. »Inwiefern habe ich Euren König brüskiert? Umgekehrt trifft es wohl eher zu. Ihr seid in mein Land eingedrungen, allen Verträgen zum Trotz.«
»Die Verträge ...«, Don Miguel wand sich ein wenig, »... sehen gewisse Geschenksendungen vor.« Der Unterhändler vollführte eine fahrige Bewegung mit den parfümierten, behandschuhten Händen.
Amir nickte zähneknirschend. »Ihr dürft ruhig ›Tribute‹ sagen, wir sind ja unter uns. Und was ist damit? Hat es Euch nicht gereicht?«
»Mein König hat keine Geschenksendung erhalten«, erklärte der Spanier.
»Was?« Amir fuhr auf. Der Emir hatte sich für diesen Anlass ebenfalls sorgfältig gekleidet. In einem golddurchwirkten Brokatgewand ragte er vor dem Unterhändler auf, der daraufhin erschrocken zurückwies.
»Ihr bezichtigt mich der Lüge? Des Nichteinhaltens eines Vertrages?«
Amirs dunkle Augen blitzten drohend.
»Ich berichte nur Tatsachen, Herr. In Kastilien sind keine Sendungen eingetroffen. Wir mussten annehmen ...« Don Miguel schien immer kleiner zu werden.
Dafür mischte sich der Priester ein. »Dabei hatte man uns diesmal die Gebeine des heiligen Ambrosius versprochen. Eine heilige Reliquie. Eis steht Euch nicht zu, sie uns vorzuenthalten!«, bemerkte er mit quäkender Stimme.
Amir wanderte unruhig im Zelt herum. Entweder logdieser Christ, oder das Ausmaß der Verschwörung gegen ihn in Granada war weitaus größer als bislang befürchtet.
»Don Miguel, verzeiht meinen Ausbruch«, meinte er schließlich. »Ich kann Euch nur versichern, dass die Geschenke für Euren König vor beinahe zwei Monden abgesendet wurden. Einschließlich der Knochen des heiligen Ambrosius ...« Er nickte dem böse dreinblickenden Priester zu. Die Angelegenheit war höchst unerfreulich gewesen. Man hatte die Reliquie einer Christengemeinde in Alhama für viel Geld abhandeln müssen. »Mein eigener Schwager, Mohammed Abenzera, war mit der Begleitung der Sendung betraut. Seid versichert, dass die Sache untersucht werden wird. Es wird auch sofort eine neue Sendung zusammengestellt, die Kastilien binnen eines Mondes erreichen sollte ...«
»Aber die Gebeine des heiligen Ambrosius ...« quäkte der Priester.
Amir musste schwer an sich halten, um seine Würde zu wahren. Don Miguel schien es ähnlich zu gehen, er verdrehte die Augen.
»Priester, ich kann Euch nicht garantieren, dass ich die Überreste Eures teuren Verblichenen so schnell wieder finden werde. Aber vielleicht begnügt Ihr Euch mit dem Kopf des Verräters, der die Sendung unterschlagen hat ...«
Don Miguel lächelte.
»Um all das in die Wege zu leiten, muss ich jedoch schleunigst nach Granada zurückkehren. Kann ich mich darauf verlassen, dass Ihr Euer Heer morgen abzieht?« Der Emir sah dem Unterhändler fest in die Augen.
Don Miguel nickte. »Mein König will keinen Krieg.«
Amir atmete auf. »Dann sind Euer König und ich uns ja einig.
Ach ja ... und ich werde der Sendung ein Mädchen mitgeben,Don Miguel, als persönliche Gabe an Euch. Sie wird sich um Euren Hintern kümmern ...«
Der Emir entließ seine Gäste mit einer Handbewegung. Er sah, dass der Spanier mit dem Lachen kämpfte, während der Priester aufgeregt auf ihn einredete.
»Ihr hättet ihm das nicht durchgehen lassen dürfen! Ich kann doch nicht den Kopf von irgendeinem maurischen Gauner in den Sarg des heiligen Ambrosius legen ...«
Amir lächelte grimmig. Dann ließ er das Heer sammeln. Sie würden noch in dieser Stunde aufbrechen, um die Alhambra zu entsetzen.
Die Bewacher der Alhambra ergaben sich der Übermacht in den frühen Morgenstunden. Die Schlosswache hatte sich tapfer verteidigt, jetzt aber waren fast zwanzig Tote zu beklagen, und der Hauptmann war schwer verletzt. Sein Vertreter, ein blutjunger Leutnant, hatte dem Sturm der Söldner und des
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