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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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müsse. Nun wird zwar ein Flachländer aus der Skiptoner Gegend zur Not eine Kränkung verzeihen, wenn er mit einem blauen Auge davonkommt, ein Mann aus South-Devonshire jedoch ist ungefähr so weich und nachgiebig wie ein Dartmoorer Sumpf. Man kann schon aus ihren Namen ersehen, daß Nafferton rassenmäßig Pinecoffin gegenüber im Vorteil war. Nafferton war ein merkwürdiger Mensch mit einer etwas grausamen Auffassung von Humor. Er lehrte mich eine neue und ungemein fesselnde Art der Jagd kennen. Er jagte Pinecoffin von Mithankot bis Jagadri und von Gurhaon bis Abbotabad – kreuz und quer durch den Pandschab, eine ziemlich ausgedehnte und stellenweise recht trockene Provinz. Er erklärte, er dächte gar nicht daran, es sich gefallen zu lassen, daß hochgestellte Beamte von der indischen Regierung ihm »einen Satan« in Form eines hundsgemeinen, verrückt gewordenen Bauernpferdes verkauften. Er würde dem Betreffenden das Leben schon sauer machen.
    Die meisten Beamten von Pinecoffins Klasse entwickeln, wenn sie ihre erste heiße Jahreszeit in Indien glücklich hinter sich haben, eine Neigung für irgendeine spezielle Tätigkeit. Die jungen Leute mit gesundem Magen hoffen,ihre Namen in großen Lettern an die Grenzpfähle zu schreiben und lassen sich nach gottverlassenen Nestern wie Bannu und Kohat versetzen. Die Magenleidenden dagegen suchen sich in das Sekretariat hinaufzuschwingen, was wiederum für die Galle höchst ungesund ist. Noch andere werden von einer Manie für Distriktsarbeit, Ghuzni-Münzen und persische Poesie befallen. Und andere wieder, die aus einer Agrarfamilie stammen, entdecken, daß der Geruch der Erde nach der Regenzeit ihnen ins Blut geht und daß sie dazu berufen sind, »die Hilfsquellen der Provinz zu erschließen«. Diese Männer sind Enthusiasten. Pinecoffin gehörte ihrer Kategorie an. Er wußte eine Menge Tatsachen, z.B. über die Kosten von Zugochsen, von temporären Brunnenanlagen und von Mohnquetschen, und was alles passiert, wenn man, in der Hoffnung einen ausgenutzten Boden zu düngen, auf dem Felde zu viele Abfälle verbrennt! Pinecoffin stammte wirklich aus einer Landmannsfamilie: das Land forderte in ihm also nur seinen Sohn zurück. Unglücklicherweise – für Pinecoffin sollte es tatsächlich ein Unglück werden – war er aber im Hauptberuf Beamter. Nafferton beobachtete ihn und dachte dabei an das Pferd. Nafferton erklärte: »Jetzt passen Sie mal auf, wie ich den Burschen herumhetze, bis er vor Erschöpfung zusammenbricht.« »Sie können einem Beamten von Pinecoffins Range niemals zu Leibe rücken,« entgegnete ich. Aber Nafferton antwortete nur, ich hätte die Eigenheiten unserer Provinzialverwaltung nicht begriffen.
    Unsere Verwaltung hat in der Tat ihre merkwürdigen Seiten. Sie ist überschäumend liebenswürdig in der Gewährung von Informationen allgemeiner und landwirtschaftlicher Natur und wird jeden, der sie höflich darauf anredet, mit allen möglichen »ökonomischen Statistiken« versorgen. Ein Beispiel! Jemand interessiert sich für die Goldwäschereian den Sandbänken des Sutlej. Er zieht an dem betreffenden Draht und entdeckt, daß er ein halb Dutzend Departments aus ihrem Schlummer aufgerüttelt hat. Zum Schluß steht er dann plötzlich in brieflicher Verbindung mit einem Mann, sagen wir, in der Telegraphenverwaltung, der früher einmal, als er beim Telegraphenbau in jener Gegend des Reichs beschäftigt war, einige Aufzeichnungen über die Gebräuche der Goldwäscher hinterlassen hat. Dieser ist dann entzückt oder auch nicht entzückt über den Befehl, seine sämtlichen Kenntnisse zu Papier zu bringen und dem Fragenden zur Verfügung zu stellen. Das hängt von seinem Temperament ab. Je mächtiger man ist, um so größer die Informationen, die man erhält, und die Scherereien, die man zu verursachen in der Lage ist.
    Nafferton war kein mächtiger Mann; aber er genoß den Ruf, sehr »seriös« zu sein. Es war einmal ein »seriöser« Mann, der beinah – – aber ganz Indien kennt jene Geschichte. Ich weiß eigentlich nicht genau, worin das »Seriössein« in Wahrheit besteht. Eine ganz anständige Imitation läßt sich dadurch erzielen, daß man seine Kleidung vernachlässigt, in einer träumerischen, versonnenen Weise herumlungert, Büroarbeit mit nach Hause nimmt, nachdem man bis sieben Uhr im Büro geblieben ist, und an Sonntagen scharenweise gebildete Inder bei sich empfängt. Das ist die eine Art, »seriös« zu sein.
    Nafferton schaute sich also nach

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