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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Holzlehnen, auf dem der Körper postiert worden war, und einen ähnlichen Stuhl gegenüber. Keine Sessel, Sofas, Betten, Decken, Teppiche. Genauso seltsam war, dass es nirgends irgendwelche Kleider oder Schuhe gab – mit einer auffälligen Ausnahme allerdings: ein Paar leichte Gummistiefel von der Art, wie man sie über normale Schuhe streifte. Diese Stiefel standen vor dem Schlafzimmerfenster, durch das der Mörder offenbar geflohen war. Zweifellos handelte es sich dabei um die Stiefel, an denen der Suchhund die Spur aufgenommen hatte.
    Gurney drehte sich in seinem Stuhl der Glastür zu und spähte über die Wiese, ohne etwas von ihr wahrzunehmen. Die Eigenheiten und Komplikationen des Falls – was Sherlock Holmes als seine »besonderen Merkmale« bezeichnete – häuften sich allmählich und erzeugten jenes magnetische Feld, das Gurney zu Problemen hinzog, vor denen die meisten Menschen zurückschrecken würden.
    Das laute Quietschen der Seitentür unterbrach ihn in seinen Gedanken – ein Quietschen, das er schon seit einem Jahr mit einem Tropfen Öl beheben wollte.
    »Madeleine?«
    »Ja.« Mit drei prallvollen Plastiktüten aus dem Supermarkt in jeder Hand trat sie in die Küche, wuchtete alles auf die Anrichte und strebte wieder hinaus.
    »Kann ich dir helfen?«
    Keine Antwort, nur das Geräusch der Seitentür, die sich öffnete und schloss. Eine Minute darauf wiederholte sich das Geräusch, und sie kam mit einer zweiten Ladung Tüten herein, die sie ebenfalls auf die Anrichte stellte. Erst jetzt nahm sie die violett, grün und rosa gemusterte peruanische Mütze mit den hängenden Ohrenklappen ab, die ihr immer etwas leicht Schrulliges verlieh.
    Der flüchtige Tick im linken Augenlid machte sich bemerkbar, den Gurney seit einiger Zeit so stark spürte, dass er in den letzten Monaten schon mehrfach zum Spiegel gelaufen war, um sich davon zu überzeugen, dass er nicht sichtbar war. Er wollte fragen, wo sie gewesen war – außer im Supermarkt natürlich –, aber möglicherweise hatte sie ihren Plan vorhin erwähnt, und er wollte sie nicht schon wieder mit der Nase darauf stoßen, wie leicht er solche Dinge vergaß. Madeleine setzte Vergessen, wie auch schlechtes Hören, mit fehlendem Interesse gleich. Vielleicht hatte sie damit gar nicht so unrecht. In den fünfundzwanzig Jahren beim NYPD hatte er nie auch nur ein einziges für seine Arbeit bedeutsames Detail vergessen, keine Zeugenvernehmung, keinen Gerichtstermin, keine Angaben oder Auffälligkeiten im Benehmen eines Verdächtigen.
    War ihm jemals etwas anderes so wichtig gewesen wie seine Arbeit? Auch nur annähernd? Eltern? Ehe? Kinder?
    Beim Tod seiner Mutter hatte er fast nichts gefühlt. Nein, schlimmer noch. Kälter und egoistischer. Er hatte Erleichterung verspürt, die Befreiung von einer Bürde, eine Vereinfachung seines Lebens. Als ihn seine erste Frau verließ, war auch das die Erlösung von einer Komplikation. Ein weiteres Hindernis aus dem Weg, das Aufatmen nach dem Zwang, auf eine schwierige Person eingehen zu müssen. Freiheit.
    Madeleine nahm fünf Glasgefäße mit Essensresten der letzten beiden Abende aus dem Kühlschrank. Nacheinander stellte sie sie neben die Mikrowelle und zog die Deckel ab. Er beobachtete sie von der anderen Seite der Kücheninsel.
    »Hast du schon gegessen?«, fragte sie.
    »Nein, ich wollte auf dich warten«, antwortete er, nicht ganz wahrheitsgemäß.
    Mit erhobener Augenbraue fixierte sie die Papiere auf dem Esstisch.
    »Zeug von Jack Hardwick«, bemerkte er ein wenig zu beiläufig. »Er hat mich gebeten, einen Blick darauf zu werfen.« Er malte sich aus, dass sie in ihm las wie in einem Buch. Schnell fügte er hinzu: »Akten zum Fall Jillian Perry.« Er verstummte. »Eigentlich weiß ich gar nicht so genau, was ich damit machen soll und warum er meint, dass meine Beobachtungen unter den gegebenen Umständen hilfreich sein könnten, aber … Ich schau’s mir an und sag ihm, was ich davon halte.«
    »Und sie?«
    »Sie?«
    »Val Perry. Wirst du ihr auch sagen, was du davon hältst?« In Madeleines Stimme hatte sich etwas Leichtes, Luftiges geschlichen, das ihre Betroffenheit nicht verbarg, sondern im Gegenteil verriet.
    Gurney starrte in die Obstschale auf der Granitplatte der Kücheninsel, die Hände auf die kalte Fläche gestützt. Mehrere Fruchtfliegen, die er aufgescheucht hatte, erhoben sich von einem Bund Bananen und flogen in asymmetrischem Zickzack über der Schale, ehe sie sich wieder auf dem Obst

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