Schließe deine Augen
hatte drei kurze Einträge und einen langen, alle mit dem Kürzel JH .
Durchsuchung von Ashton-Grundstück, Wald, Hügel: negativ. Umgebungsbefragungen: negativ.
Zusammenfügung der Tasse zeigt, dass Aufschlagpunkt von oben nach unten und links nach rechts exakt in der Mitte. Stützt die Hypothese, dass nicht Ashton das Ziel des Schützen war, sondern die Tasse.
Auf Terrasse sichergestellte Patronenfragmente zu klein für aussagekräftige ballistische Untersuchung. Vermutung: klein- bis mittelkalibriges Präzisionsgewehr, ausgestattet mit leistungsfähigem Zielfernrohr, in den Händen eines erfahrenen Schützen.
Scott Ashton über Waffeneinschätzung und Tasse-als-Ziel-Schlussfolgerung informiert, um zu erfahren, ob er jemanden mit entsprechender Ausrüstung und Treffsicherheit kennt. Zeuge wirkte beunruhigt. Auf Nachfragen nannte er zwei Leute mit Gewehr dieser Art: sich selbst und Jillians Vater, Dr. Withrow Perry. Perry, erklärte er, macht gern exotische Jagdreisen und ist ein ausgezeichneter Schütze. Sein eigenes Gewehr (hochwertiges Weatherby .257) will Ashton auf Perrys Anregung hin erworben haben. Als ich es sehen wollte, stellte er fest, dass es nicht in dem Holzkoffer war, in dem er es verschlossen im Arbeitszimmerschrank aufbewahrte. Er konnte nicht genau angeben, wann er die Waffe zum letzten Mal gesehen hatte, schätzte aber vor zwei oder drei Monaten. Auf die Frage, ob Hector Flores von der Waffe und ihrem Aufbewahrungsort wusste, erwiderte er, dass Flores ihn am Tag ihres Kaufs nach Kingston begleitet und danach den Eichenkoffer dafür angefertigt hatte.
Gurney drehte das Formular um und durchstöberte schließlich den Stoß auf dem Tisch, fand aber keinen Folgeeintrag über eine Vernehmung von Withrow Perry. Oder hatte diese Befragung gar nicht stattgefunden? Vielleicht war sie schlichtweg übersehen worden, wie es manchmal bei der Übergabe eines Falls von einem Ermittlungsleiter zum nächsten passierte – in diesem Fall vom provokanten Hardwick zum dilettantischen Blatt. Es war nicht besonders schwer, sich das vorzustellen.
Zeit für eine zweite Tasse Kaffee.
13
Schräger und verdrehter
Alles Mögliche konnte die Ursache sein: die frische Koffeinzufuhr; eine natürliche Rastlosigkeit nach dem langen Sitzen; die niederdrückende Aussicht, sich mitten in der Nacht allein durch einen ungeordneten Wust von Unterlagen wühlen zu müssen; die unbeantwortete Frage nach dem Aufenthalt von Withrow Perry und seinem Gewehr am Nachmittag des 17. Mai. Vielleicht waren es auch all diese Kräfte zusammen, die ihn dazu trieben, nach seinem Handy zu greifen und Jack Hardwick anzurufen. All diese Kräfte und etwas, das ihm zu der zerschmetterten Teetasse eingefallen war.
Als sich Gurney nach dem fünften Klingeln schon überlegte, welche Nachricht er hinterlassen sollte, meldete sich Hardwick.
»Ja?«
»Charmante Begrüßung, Jack.«
»Wenn ich gewusst hätte, dass du es bist, hätte ich mich nicht so bemüht. Was ist los?«
»Eine riesige Fallakte, die du mir da gegeben hast.«
»Hast du eine Frage?«
»Ich hab hier fünfhundert Seiten vor mir. Vielleicht möchtest du mich in eine bestimmte Richtung lenken.«
Hardwick stieß ein bellendes Lachen aus, das mehr nach einem Sandstrahlgerät als nach einer menschlichen Gefühlsäußerung klang. »Scheiße, Gurney. Holmes bittet Watson doch auch nicht, ihm die richtige Richtung zu zeigen.«
»Dann darf ich es anders ausdrücken.« Wieder einmal musste Gurney feststellen, wie mühsam es war, Hardwick eine einfache Antwort zu entlocken. »Gibt es in diesem Haufen Müll irgendwelche Dokumente, die du für besonders interessant hältst?«
»So was wie Bilder von nackten Frauen?«
Diese Spielchen mit Hardwick konnten ziemlich lange dauern. Gurney beschloss, ihn mit einem Themenwechsel aus der Reserve zu locken. »Jillian Perry wurde um 16.13 Uhr enthauptet. Plus minus dreißig Sekunden.«
Kurzes Schweigen. »Wie zum Henker …?«
Gurney stellte sich vor, wie Hardwicks Gedanken über das Fallterrain jagten – Cottage, Wald, Rasen –, um den verpassten Hinweis aufzuschnappen. Damit die Überraschung und Frustration seines Gesprächsparterns voll erblühen konnten, ließ Gurney mehrere Sekunden verstreichen, bevor er flüsterte: »Die Antwort liegt in den Teeblättern.« Dann unterbrach er die Verbindung.
Zehn Minuten später rief Hardwick zurück, schneller, als Gurney erwartet hatte. Das Erstaunliche an Hardwick war, dass sich hinter seiner ätzenden
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