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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Bedeutung, die Marian Eliot darin erblickte. In ihren Augen leuchteten Überzeugung und fast so etwas wie Triumph. Für Gurney stellte sich die Frage, ob dieser Triumph in Zusammenhang mit der Tragödie stand oder ob er nur die Genugtuung einer Akademikerin über die Tiefe ihres Wissens zum Ausdruck brachte.
    Nach kurzem Schweigen war ihre Aufregung abgeklungen. »Was wollten Sie von Carl erfahren?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht warum es in seinem Haus so viel ordentlicher ist als auf dem Grundstück.«
    In geschäftsmäßigem Ton ging sie auf seine nicht ganz ernst gemeinte Bemerkung ein. »Ich schaue ziemlich regelmäßig bei Carl vorbei. Seit Kikis Verschwinden ist er nicht mehr er selbst. Verständlich. Und wenn ich dort bin, räume ich ein bisschen auf. Wirklich nichts Besonderes.« Sie spähte in die Richtung von Mullers Haus, das hinter einem Hektar Bäume verborgen lag. »Er ist nicht so hilflos, wie es den Anschein hat.«
    »Kennen Sie seine Meinung über Lateinamerikaner?«
    Sie stieß ein gereiztes Seufzen aus. »Carls Position zu dieser Frage unterscheidet sich kaum von den Wahlkampfparolen bestimmter öffentlicher Personen.«
    Gurney musterte sie neugierig.
    »Ja, ich weiß, das ist schon ziemlich übertrieben bei ihm, aber in Anbetracht … in Anbetracht der Sache mit seiner Frau …« Sie verstummte.
    »Und der Weihnachtsbaum im September? Die Weihnachtslieder?«
    »Das gefällt ihm eben. Es beruhigt ihn.« Sie stand auf und nahm die Hacke, die am Apfelbaum lehnte. Mit einem knappen Nicken signalisierte sie Gurney das Ende der Unterhaltung. Offenbar redete sie nicht gern über Carls Verrücktheit. »Ich muss weiterarbeiten. Viel Glück mit Ihren Nachforschungen, Mr Gurney.«
    Die Frage der fehlenden Puzzleteile hatte sie entweder vergessen oder wollte ihr nicht mehr nachgehen. Gurney hätte interessiert, was davon zutraf.
    Wie aus dem Nichts erschien der Airedale Terrier an ihrer Seite, der anscheinend einen Wandel der emotionalen Atmosphäre gewittert hatte.
    »Vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben, und für die erhellenden Bemerkungen«, sagte Gurney. »Vielleicht können wir die Unterhaltung zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen.«
    »Mal sehen. Ich bin zwar im Ruhestand, aber trotzdem sehr beschäftigt.«
    Sie wandte sich dem Rosengarten zu und fing an, heftig auf den verkrusteten Boden einzuhacken, als wollte sie eine widerspenstige Seite an sich selbst bändigen.

20
Ashtons Herrenhaus
    Viele Häuser an der Badger Lane, vor allem die zu Ashtons Ende der Straße hin, waren alt und groß und verrieten, dass kein Aufwand für Instandhaltung und Renovierung gescheut worden war. Die daraus resultierende lässige Eleganz ging Gurney gegen den Strich, wenngleich er diese Empfindung nicht als Neid bezeichnet hätte. Doch selbst nach den gehobenen Maßstäben der Badger Lane war Ashtons Anwesen eindrucksvoll: ein makelloses einstöckiges Farmhaus aus blassgelbem Stein, umgeben von Wildrosen, riesigen, staudengesäumten Blumenbeeten und Efeuspalieren, die als Durchgang zum sanft abfallenden Rasen dienten. Gurney parkte auf der backsteingepflasterten Einfahrt. Sie führte zu einer Art Garage, die ein Immobilienmakler vielleicht als Remise bezeichnet hätte. Jenseits des Rasens stand der klassische Pavillon, in dem die Hochzeitsmusiker gespielt hatten.
    Als Gurney ausstieg, fiel ihm sofort ein besonderer Geruch auf. Während er noch versuchte, ihn zu identifizieren, kam ein Mann mit einer Baumsäge hinter dem Haupthaus hervor. Scott Ashton wirkte vertraut und doch anders: weniger plastisch als im Film. Er trug zwanglos teure Landkleidung, eine Tweedhose und ein maßgeschneidertes Flanellhemd. Ohne wahrnehmbare Regung nahm er Gurneys Anwesenheit zur Kenntnis.
    »Sie sind pünktlich.« Seine Stimme war ruhig, sanft, unpersönlich.
    »Vielen Dank, dass Sie sich zu diesem Treffen bereit erklärt haben, Dr. Ashton.«
    »Möchten Sie reinkommen?« Eine reine Frage, keine Einladung.
    »Es würde mir helfen, wenn ich mir zuerst das Gelände hinter dem Haus ansehen könnte – das Gartencottage. Und auch den Terrassentisch, an dem Sie gesessen haben, als die Kugel die Tasse getroffen hat.«
    Mit einer Handbewegung bedeutete Ashton Gurney, ihm zu folgen. Als sie das Spalier passierten, das von der Garage und der Einfahrt zum Rasen führte und durch das auch die Hochzeitsgäste geschritten waren, spürte Gurney eine Mischung aus Vertrautheit und Verwirrung. Der Pavillon, das Cottage, der hintere Teil

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