Schließe deine Augen
von Anfang an einen Plan. Und ich vermute, dass der Grund seines Auftauchens hier ein Ereignis in der Vergangenheit ist, an dem Ihre Tochter oder Scott Ashton beteiligt waren.«
»Was für ein Ereignis in der Vergangenheit?« Offenbar hatte sie Mühe, die Ruhe zu bewahren.
»Möglicherweise hat es was damit zu tun, warum Sie Jillian an die Mapleshade Academy geschickt haben. Wissen Sie von irgendwelchen Handlungen Jillians, die bei jemandem Rachegelüste geweckt haben könnten?«
»Sie meinen, ob sie kleinen Kindern das Leben versaut hat? Ob sie ihnen Albträume und Zweifel angehängt hat, die sie nie wieder loswerden? Ob sie ihnen Angst und Schuldgefühle gemacht hat? Ob sie sie so in den Wahnsinn getrieben hat, dass sie anderen das Gleiche angetan haben? Vielleicht sogar so, dass sie sich umgebracht haben? Und ob es jemanden geben könnte, der will, dass sie dafür in der Hölle schmort? Ist es das, was Sie meinen?«
Er blieb stumm.
Als sie erneut das Wort ergriff, klang sie müde. »Ja, sie hat Dinge getan, die Rachegelüste auslösen könnten. Manchmal hätte ich sie am liebsten selbst umgebracht. Und letztlich … habe ich das ja auch gemacht.«
Gurney verkniff sich einen Allgemeinplatz über Nachsicht gegen sich selbst. »Wenn Sie sich zu Tode geißeln wollen, machen Sie das bitte ein andermal. Im Moment geht es mir um den Auftrag, den Sie mir gegeben haben. Ich habe angerufen, um Ihnen meine Überlegungen mitzuteilen, die der offiziellen Einschätzung der Polizei komplett widersprechen. Dieser Gegensatz könnte zu Problemen führen. Deswegen muss ich wissen, wie weit Sie gehen wollen.«
»Folgen Sie Ihrer Spur um jeden Preis. Ich möchte die Sache aufklären, bis zum bitteren Ende. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Noch eine letzte Frage. Vielleicht finden Sie es geschmacklos, aber ich muss sie stellen. Ist es denkbar, dass Jillian eine Affäre mit Flores hatte?«
»Wenn er männlich, gut aussehend und gefährlich war, dann ist es sehr viel mehr als nur denkbar.«
Auf der Fahrt nach Hause wechselte Gurneys Stimmung gleich mehrfach – zusammen mit seiner Einschätzung des Falls.
Die Idee, dass Jillians Ermordung im Zusammenhang mit ihrer chaotischen Vergangenheit stand und dass Hector Flores möglicherweise etwas mit dieser Vergangenheit zu tun hatte, gab Gurney das Gefühl, für die Fortsetzung seiner Nachforschungen eine solide Basis und eine vielversprechende Richtung zu haben. Die ritualistische Präsentation der Leiche – der abgetrennte, dem Körper zugewandte Kopf in der Mitte des Tischs – verlieh der Sache etwas Verdrehtes, das weit über ein normales Tötungsdelikt hinausging. Und plötzlich schoss ihm durch den Sinn, dass der Mord wie ein ironisches Gegenstück zu der erotischen Fotografie über Ashtons Kamin wirkte, auf der die eine Jillian die andere voller Lüsternheit anstarrte.
Mein Gott. War das eine Art Witz? War es möglich, dass das Arrangement der Leiche im Cottage eine subtile Parodie auf Jillian Perrys Pose in einer Modeanzeige darstellte? Ihm wurde übel bei dem Gedanken, etwas, das nur selten vorkam bei einem Mann, der in seinen Jahren als Mordermittler so ziemlich alles gesehen hatte, was Menschen einander antun können.
Er stoppte vor einem Geschäft für landwirtschaftliche Geräte und durchwühlte die Papiere auf dem Beifahrersitz nach Jack Hardwicks Handynummer. Während es läutete, wanderte sein Blick über die Wiese hinter dem Geschäft, auf der sich große und kleine Traktoren, Ballenpressen, Motorsensen und Kreiselharken drängten. Dann fiel ihm eine Bewegung auf. Ein Hund? Nein, ein Kojote. Ein Kojote, der in gerader Line über den sanften Hügel lief – fast zielstrebig, so kam es Gurney vor.
Beim fünften Klingelton hob Hardwick ab, als der Anruf fast schon auf die Mailbox weitergeleitet wurde. »Davey, alter Knabe, was gibt’s?«
Gurney zog eine Grimasse – seine übliche Reaktion auf das ätzende Knarzen von Hardwicks Stimme. Der Ton erinnerte ihn an seinen Vater. Nicht das Schleifpapierhafte daran, sondern der scharfe Zynismus.
»Ich habe eine Frage an dich, Jack. Als du mich in diese Perry-Geschichte reingezogen hast, worum ging es deiner Meinung nach dabei?«
»Von wegen reingezogen, ich hab dir nur eine Chance geboten.«
»Na schön. Und worum ging es deiner Ansicht nach bei dieser Chance?«
»Bin nicht weit genug vorgedrungen, um mir eine feste Meinung zu bilden.«
»Quatsch.«
»Alles, was ich sagen könnte, wäre reine Spekulation,
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