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Schlimmes Ende

Titel: Schlimmes Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Ardagh
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Mannes von ganz offensichtlichem…«
    »Entschuldigen Sie die Unterbrechung«, unterbrach Mrs Dickens, »aber wo ist unser Junge jetzt?«
    »Irgendwo in irgendeinem Waisenhaus«, sagte der Wahnsinnige
Onkel Jack. »Sankt Fürbass? Sankt Fürlieb? Sankt Fürstlich? Ich kann mich, fürchte ich, nicht entsinnen… Ich würde mir aber keine Sorgen machen. Ihr könnt doch jederzeit einen neuen kriegen.«
    »Einen neuen?«, sagte Mr Dickens ratlos.
    »Einen neuen Jungen«, sagte der Wahnsinnige Onkel Jack.
    »Ach«, nickte Eddies Vater.
    »Was führt Sie in diese Breiten, Sire, Madame?«, fragte Mr Pumblesnook und wischte sich mit dem Taschentuch, das Eddie so beeindruckt hatte, als er den Theaterdirektor zum ersten Mal im Ausspann »Zum Ausspann« gesehen hatte, die Schlammspritzer vom Jackett.
    »Wir haben Edmund zu meinem lieben Onkel und zu meiner lieben Tante geschickt, weil wir krank waren und nicht wollten, dass er sich mit unserer Krankheit - welche es auch gewesen sein mag - ansteckt«, begann Mrs Dickens.
    »Aber jetzt sind wir geheilt, und es besteht für ihn nicht mehr die Notwendigkeit, sich von uns entfernt aufzuhalten«, nahm Mr Dickens den Faden der Erzählung auf. »Wir haben die Eisenbahn genommen und wollten die letzte Meile bis Schlimmes Ende zu Fuß gehen, weshalb wir die Kutsche so rasch eingeholt haben.«
    Mr Pumblesnook wischte den restlichen Matsch mit elegant dramatischem Schwung ab, schüttelte sein Taschentuch aus und stopfte es zurück in die Brusttasche, aus welcher es nun wieder wucherte wie eine exotische Blume. »Wie wurden Sie geheilt?«, fragte er interessiert.
    »Unser alter Hausarzt, der berüchtigte Dr. Keks, hat unser Haus mit uns mittendrin niedergebrannt«, sagte Eddies Mutter, und Stolz schwang in ihrer Stimme. »Wir wissen nicht, ob die Angst, bei lebendigem Leibe zu verkokeln, oder die
Wirkung des Rauchs es war, aber jedenfalls hat er uns geheilt.«
    »Eine zutiefst bemerkenswerte Geschichte!«, dröhnte Mr Pumblesnook, offensichtlich schwer beeindruckt. »Aber ich habe eine Frage.«
    »Ja?«, sagten die Dickensens.
    »Sie sagen, es besteht nicht mehr die Notwendigkeit, dass der junge Herr Edmund sich in Schlimmes Ende aufhält?«
    »Ja«, nickten die Dickensens.
    »Dass er jetzt doch mit zu Ihnen nach Hause zurückkehren kann?«
    Wieder nickten die Dickensens.
    »Aber haben Sie mir nicht vor überaus kurzer Zeit mitgeteilt, dass Ihr Haus, mit Ihren eigenen Worten, wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt… äh… niedergebrannt ist?«, erkundigte sich der umherschweifende Theatermann.
    Mr Dickens sah Mrs Dickens an. Mrs Dickens sah Mr Dickens an.
    »Beim Zeus!«, jammerte er. »Daran hatten wir nicht gedacht!«
    Eddies Mutter stieß einen Klagelaut aus und brach zusammen. Ihr Mann fand, am ehesten könne man sie beruhigen, indem man ihren Mund mit Eicheln füllte. Es erinnerte sie an einige von Dr. Keks’ früheren Heilungsversuchen und spendete ihr auf seltsame Weise Trost.
    Die Wahnsinnige Tante Maud war (unterdessen) als Letzte aus der Kutsche gestiegen. Malcolm stak fest unter ihrem Arm, aus seiner ausgestopften Nase ragte die Hutnadel. Sie schritt um das Fahrzeug herum und betrachtete es von vorn.
    Plötzlich fiel ihr ein, warum sie in der Kutsche hatten übernachten müssen, anstatt die letzten paar Meilen noch
rasch nach Hause zu fahren. Sie hatten kein Pferd. Es war zwar nicht so, dass der Wahnsinnige Onkel Jack das Pferd auf einem Klo vergessen hatte oder so was, diesmal nicht. Am Vorabend früh war das Pferd durchgegangen, weggerannt, abgehauen -, nennt es, wie ihr wollt. Glücklicherweise für den Wahnsinnigen Onkel Jack obendrauf und die Insassen innendrin war das durchgegangene Pferd nicht mehr mit der Kutsche verbunden gewesen. Es hatte sich irgendwie losgerissen, und bevor Onkel Jack die Zeit gefunden hatte, das verstörte Geschöpf einzufangen, war es - wie es in Goethes erstem »Mignon«-Lied (in »Wilhelm Meisters Lehrjahre«) so sinnfällig heißt - »dahin, dahin«.
    Gerade habe ich das Pferd als verstörtes Geschöpf bezeichnet. Verstört wovon, verstört durch wen? Durch den Anblick der treuen Dickens’schen Dienstboten Laberliese und Dawkins vielleicht? Sie waren, zugegeben, ein ziemlicher Anblick. Sie waren mit Eddies Eltern Eisenbahn gefahren, aber weil sie Dienstboten waren, hatten sie außen mitreisen müssen und waren immer noch mit Stücken von Stechginster und Splittern von Telegrafenmasten bedeckt, an denen sie vorbeigeschrappt waren, während

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