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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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gehen.«
    »Und was, wenn nicht?«
    »Das hieße nur, dass man noch nicht am Ende angekommen ist.«
    Sie lächelte mich an, wie man Leute anlächelt, wenn man weiß, dass man auf all ihre Fragen eine Antwort hat. Und so redeten wir über Filme.
    Mom und Dad hatten den Winter überlebt, aber jedes Mal, wenn ich sie traf, sahen sie heruntergekommener aus: schmutziger, ramponierter, die Haare verfilzter.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Dad. »Hast du schon mal erlebt, dass dein alter Herr mit irgendeiner Situation nicht klargekommen ist?«
    Ich redete mir immer wieder ein, dass Dad Recht hatte, sie konnten auf sich selbst und aufeinander aufpassen, aber dann rief Mom mich im Frühling an und sagte, Dad läge mit Tuberkulose im Krankenhaus.
    Dad war so gut wie nie krank. Er wurde zwar ständig zusammengeschlagen, erholte sich dann aber rasch wieder, als könnte ihm nichts wirklich was anhaben, und tief in mir drin glaubte ich noch immer all die Geschichten, die er uns früher von seiner Unbesiegbarkeit erzählt hatte. Dad hatte sich jeden Besuch verbeten, aber Mom sagte, er würde sich bestimmt freuen, wenn ich vorbeischaute.
    Im Krankenhaus musste ich warten, bis eine Krankenschwester ihm gesagt hatte, dass er Besuch hatte. Ich stellte mir Dad unter einem Sauerstoffzelt vor oder wie er Blut in ein weißes Taschentuch hustete, doch kurz darauf kam er mit schnellen Schritten den Flur hinunter. Er war blasser und hagerer als sonst, aber obwohl er all die Jahre mit seiner Gesundheit Schindluder getrieben hatte, war er nur wenig gealtert. Er hatte noch immer volles tiefschwarzes Haar, und seine dunklen Augen funkelten über dem Papiermundschutz, den er trug.
    Er wollte nicht, dass ich ihn umarme. »Gott, Schätzchen, bleib schön auf Abstand«, sagte er. »Du bist zwar ein Lichtblick für meine trüben Augen, aber ich will nicht, dass du dir diesen bescheuerten Bazillus einfängst.«
    Dad ging mit mir zurück auf die TB-Station und stellte mich seinen Freunden vor. »Ob ihr's glaubt oder nicht, der alte Rex Walls hat wahrhaftig was zustande gebracht, worauf er sich was einbilden kann, und hier ist sie«, sagte er zu ihnen. Dann musste er husten.
    »Dad, wirst du wieder gesund?«, fragte ich.
    »Hier kommt keiner von uns lebend raus, Schätzchen«, sagte Dad. Den Spruch benutzte er häufig, und jetzt schien er daraus eine besondere Genugtuung zu ziehen.
    Dad führte mich zu seinem Bett. Daneben lag ein ordentlicher Stapel Bücher. Er sagte, seine TB-Infektion hätte ihn ins Grübeln gebracht über Sterblichkeit und das Wesen des Kosmos. Er wäre stocknüchtern, seit er im Krankenhaus lag, sagte er, und er hätte noch einiges mehr über die Chaostheorie gelesen, vor allem über die Arbeit von Mitchell Feigenbaum, einem Physiker in Los Alamos, der den Übergang von Ordnung in Turbulenz untersucht hatte. Dad meinte, der Teufel solle ihn holen, wenn Feigenbaum nicht ziemlich überzeugend nachgewiesen hätte, dass Turbulenz nicht willkürlich ist, sondern ein regelmäßiges Spektrum von unterschiedlichen Frequenzen aufweist. Wenn jede Handlung im Universum, die wir für willkürlich hielten, in Wahrheit einem rationalen Muster entsprach, sagte Dad, dann implizierte das die Existenz eines göttlichen Schöpfers, und er wäre dabei, seine atheistische Überzeugung zu überdenken. »Ich mein damit nicht, dass da oben in den Wolken ein bärtiger alter Kauz namens Jahwe hockt, der entscheidet, welche Football-Mannschaft den Super Bowl gewinnt«, sagte Dad. »Aber wenn die Physik - die Quantenphysik - behauptet, dass Gott existiert, bin ich durchaus gewillt, mich der Ansicht anzuschließen.«
    Dad zeigte mir ein paar von seinen Berechnungen, an denen er arbeitete. Er sah, wie ich auf seine zitternden Finger blickte, und hielt sie hoch. »Alkoholmangel oder Gottesfurcht - keine Ahnung, was die Ursache ist«, sagte er. »Vielleicht beides.«
    »Versprich mir, dass du hier bleibst, bis es dir wieder besser geht«, sagte ich. »Ich möchte nicht, dass du türmst.«
    Dad brach in lautes Lachen aus, das in einen weiteren Hustenanfall mündete.
    Dad blieb sechs Wochen im Krankenhaus. Inzwischen hatte er nicht nur die Tuberkulose erfolgreich bekämpft, sondern er war auch länger nüchtern, als er es seit seinem Entzug in Phoenix je wieder gewesen war. Er wusste, dass er rückfällig werden würde, wenn er zurück auf die Straße ging. Jemand aus der Krankenhausverwaltung verschaffte ihm einen Job als Hausmeister in einem Hotel im Norden des

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