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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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furchtbar gern beschenken.«
    Im Sommer darauffing für Mom und Dad ihr drittes Jahr auf der Straße an. Inzwischen hatten sie sich mit diesem Leben arrangiert, und auch ich fand mich allmählich damit ab, dass die Dinge so bleiben würden, ob es mir nun gefiel oder nicht. »Die Stadtverwaltung ist mit dran schuld«, sagte Mom zu mir. »Die machen es einem so leicht, obdachlos zu sein. Wenn es wirklich unerträglich wäre, würden wir was anderes machen.«
    Im August rief Dad mich an, um mit mir die Veranstaltungen durchzusprechen, die ich mir für das Herbstsemester ausgesucht hatte. Er wollte auch über ein paar von den Büchern auf den Lektürelisten sprechen. Seit ich studierte, ließ er sich von mir die Titel der Bücher nennen, die ich lesen musste, und kuckte nach, ob sie in der Stadtbücherei waren. Er lese sie alle, sagte er, damit er mir sämtliche Fragen beantworten könnte, falls ich welche hätte. Aber Mom meinte, das wäre seine Art, mit mir zusammen ein Studium zu machen.
    Als er nach den Seminaren fragte, die ich belegen wollte, sagte ich: »Ich überlege aufzuhören.«
    »Kommt gar nicht in die Tüte«, sagte Dad.
    Ich erklärte ihm, dass die Studiengebühren zwar größtenteils durch Zuschüsse und Darlehen und Stipendien abgedeckt wurden, aber ich musste noch zweitausend Dollar im Jahr selbst zuschießen. Ich hatte im Sommer aber bloß tausend Dollar sparen können. Ich brauchte noch mal tausend und wusste nicht, wo ich die hernehmen sollte.
    »Warum hast du nicht früher was gesagt?«, fragte Dad.
    Eine Woche später rief er an und verabredete sich mit mir bei Lori. Als er zusammen mit Mom kam, hatte er eine große
    Plastikmülltüte in der Hand und eine kleine Papiertüte unter den Arm geklemmt. Ich vermutete eine Flasche Whiskey darin, aber dann öffnete Dad die Tüte und kippte sie aus. Hunderte von Dollarnoten - Einer, Fünfer, Zehner, Zwanziger, alle zerknittert und eingerissen - fielen mir in den Schoß.
    »Das sind neunhundertfünfzig Piepen«, sagte Dad. Er leerte die Plastiktüte, und ein Pelzmantel purzelte heraus. »Das ist ein Nerz. Dafür kriegst du im Pfandhaus mindestens fünfzig Mäuse.«
    Ich starrte auf den Haufen Dollars. »Wo hast du das viele Geld her?«, fragte ich schließlich.
    »In New York wimmelt es nur so von Pokerspielern, die dumm wie Bohnenstroh sind.«
    »Dad«, sagte ich. »Ihr zwei braucht das Geld doch dringender als ich.«
    »Es gehört dir«, sagte Dad. »Seit wann ist es falsch, wenn ein Vater für sein kleines Mädchen sorgt?«
    »Aber das kann ich nicht annehmen.« Ich blickte Mom an.
    Sie setzte sich neben mich und tätschelte mein Bein. » Ich fand schon immer, dass eine gute Ausbildung wichtig ist«, sagte sie.
    Und so bezahlte ich meinen Anteil der Gebühren für mein letztes Studienjahr mit Dads zerknitterten Scheinen.
    Einen Monat später rief Mom mich an. Sie sprach so aufgeregt, dass sich ihre Worte überschlugen. Jetzt erzählte sie mir, dass sie und Dad wieder ein Dach über dem Kopf hatten. Ihr neues Zuhause, sagte Mom, war ein leer stehendes Gebäude auf der Lower East Side. »Es ist ein bisschen runtergekommen«, räumte sie ein. »Aber es braucht bloß etwas liebevolle Pflege. Und das Allerbeste, wir wohnen umsonst.«
    Es zogen auch noch andere Leute in die leer stehenden Häuser dort, sagte sie, und die wurden Hausbesetzer genannt. »Dein Vater und ich sind Pioniere«, sagte Mom. »Genau wie mein Ururgroßvater, der mitgeholfen hat, den Wilden Westen zu erobern.«
    Ein paar Wochen später rief Mom wieder an und sagte, ihre Wohnung bräuchte zwar noch ein paar letzte Kleinigkeiten -zum Beispiel eine Eingangstür -, aber sie und Dad empfingen bereits offiziell Besuch. Also fuhr ich an einem Tag im späten Frühling mit der U-Bahn zum Astor Place und ging von dort weiter in östlicher Richtung. Mom und Dads Wohnung lag in einem sechsstöckigen Haus. Die Fenster im Erdgeschoss waren mit Brettern vernagelt. Die Haustür hatte dort, wo normalerweise das Schloss und der Knauf sitzen, lediglich ein Loch. Im Flur hing eine einsame nackte Glühbirne an einem Draht von der Decke. Von den Wänden bröckelte an manchen Stellen der Putz, sodass die Stromleitungen und Rohre frei lagen. Im zweiten Stock klopfte ich an die Tür von Mom und Dads Wohnung und hörte Dads gedämpfte Stimme. Die Tür öffnete sich daraufhin nicht nach innen, sondern an beiden Seiten tauchten Finger auf und hoben sie ganz aus dem Rahmen. Und dann stand Dad vor mir, strahlte übers

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