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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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alle anderen Sterne schon verschwunden waren.
    »Ach, was soll's«, sagte Dad. »Wir haben Weihnachten. Wenn du willst, kannst du dir auch einen Planeten aussuchen.«
    Und er schenkte mir die Venus.
    Beim Weihnachtsessen an diesem Abend unterhielten wir uns alle über den Weltraum. Dad erzählte von Lichtjahren und Schwarzen Löchern und Quasaren, und er erläuterte die besonderen Eigenschaften von Beteigeuze, Rigel und Venus.
    Beteigeuze war ein roter Stern in der Schulter des Sternbildes Orion. Er war einer der größten Sterne am Himmel, viele hundert Male größer als die Sonne. Er leuchtete schon seit Millionen von Jahren so hell und würde bald eine Supernova werden und verglühen. Ich regte mich auf, weil Lori sich so einen Schrottstern ausgesucht hatte, aber Dad beruhigte mich und sagte, dass »bald« bei Sternen in Wahrheit Hunderttausende von Jahren bedeutete.
    Rigel war ein blauer Stern und etwas kleiner als Beteigeuze, sagte Dad, aber noch heller. Er war auch im Orion - genauer gesagt, stellte er seinen linken Fuß dar, und das kam mir passend vor, weil Brian superschnell laufen konnte.
    Venus hatte keine Monde oder Satelliten oder auch nur ein Magnetfeld, sagte Dad, aber sie hatte eine Atmosphäre, ganz ähnlich wie die auf der Erde, nur dass sie furchtbar heiß war-über 250 Grad. Und deshalb, meinte Dad, könnte es sein, dass die Menschen, wenn die Sonne allmählich ausbrennt und die Erde kalt wird, zur Venus ziehen wollen, um nicht mehr zu frieren. Und dann müssten sie sich erst mal von meinen Nachfahren die Erlaubnis holen.
    Wir lachten über die Kinder, die an das Santa-Claus-Märchen glaubten und zu Weihnachten bloß einen Haufen billiger Plastikspielsachen bekamen. »In einigen Jahren, wenn der ganze Plunder, den sie bekommen haben, längst kaputt und vergessen ist«, sagte Dad, »habt ihr immer noch eure Sterne.«
    In der Dämmerung, wenn die Sonne hinter den Palen Mountains versunken war, kamen die Fledermäuse und schwirrten über den Hütten von Midland durch die Luft. Die alte Frau von nebenan warnte uns vor den Fledermäusen. Sie nannte sie fliegende Ratten und sagte, dass sich einmal eins von den kleinen Biestern in ihren Haaren verfangen hatte, dann völlig durchgedreht war und ihr die Kopfhaut zerkratzt hatte. Aber ich mochte die hässlichen kleinen Fledermäuse, die blitzschnell vorbeiflitzten, ihre Flügel nur ein einziges rasendes Flirren. Dad erklärte uns, dass sie eine Art Echopeilung hatten, wie in atomgetriebenen U-Booten. Brian und ich warfen immer kleine Steinchen in die Luft, weil wir hofften, die Fledermäuse würden sie für Insekten halten und fressen und dann vom Gewicht der Steine nach unten gezogen, sodass wir sie fangen und als Haustiere behalten könnten. Wir wollten ihnen eine lange Schnur an eine Klaue binden, damit sie weiter fliegen konnten. Ich wollte eine dazu abrichten, sich kopfüber an meinen Finger zu hängen. Aber diese verflixten Fledermäuse waren zu clever und fielen nicht auf unseren Trick herein.
    Die Fledermäuse waren in der Luft und kreischten, als wir Midland Lebewohl sagten und uns auf den Weg nach Blythe machten. Kurz vorher hatte Mom verkündet, das Baby habe beschlossen, es sei jetzt groß genug und könne herauskommen, um Teil unserer Familie zu werden. Sobald wir losgefahren waren, gerieten Dad und Mom in einen heftigen Streit darüber, wie viele Monate sie schon schwanger war. Mom sagte, sie sei seit zehn Monaten schwanger. Dad, der am Nachmittag für jemanden ein Auto repariert und von dem
    Geld eine Flasche Tequila gekauft hatte, meinte, sie habe vermutlich irgendwann den Überblick verloren.
    »Ich trage meine Kinder immer länger als die meisten Frauen«, sagte Mom. »Lori war vierzehn Monate in meinem Bauch.«
    »Schwachsinn!«, sagte Dad. »Es sei denn, Lori hat was von einem Elefanten.«
    »Mach dich nicht über mich oder meine Kinder lustig!«, schrie Mom. »Manche Babys sind frühreif. Meine waren spätreif. Deshalb sind sie auch so schlau. Ihr Gehirn hatte länger Zeit, sich zu entwickeln.«
    Dad sagte irgendwas über die Launen der Natur, und Mom nannte Dad einen Besserwisser, der einfach nicht glauben wollte, dass sie etwas Besonderes war. Dad sagte irgendwas in der Richtung, dass nicht mal Maria mit einem Bankert wie Jesus so lange schwanger war. Mom, die über Dads lästerliche Bemerkung wütend war, streckte den Fuß rüber auf die Fahrerseite und stieg auf die Bremse. Es war mitten in der Nacht, und Mom sprang aus dem Auto und

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