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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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Leute früher in den Zug gestiegen waren, und Billy aufforderte zu verschwinden. Sie kam wieder rein und sagte: »Er hat ein Gewehr.«
    Lori nahm Maureen auf den Arm. Eine Fensterscheibe zersplitterte, und Billy erschien im Fensterrahmen und schlug mit dem Gewehrkolben die restlichen Scherben heraus. Dann zielte er in den Raum.
    »Das ist bloß ein Luftgewehr«, sagte Brian.
    »Ich hab dir gesagt, es wird dir noch Leid tun«, sagte Billy und drückte ab. Es fühlte sich an, als hätte mich eine Wespe in die Rippen gestochen. Billy fing an, auf uns alle zu schießen, und lud vor jedem Schuss schnell durch. Er traf jeden von uns ein paar Mal, dann kippte Brian den Spulentisch um, und wir versteckten uns dahinter.
    Die Kügelchen prallten mit einem Pling von der Tischplatte ab. Maureen brüllte. Ich sah Lori an. Sie war die Älteste und hatte deshalb auch die Verantwortung. Sie kaute auf der Unterlippe und überlegte. Auf einmal drückte sie mir Maureen in die Arme und rannte los, Brian sprang auf, um Billy von ihr abzulenken, aber Billy erwischte sie noch zwei Mal, dann schaffte sie es die Treppe hinauf in den ersten Stock. Als sie wieder herunterkam, hielt sie Dads Revolver in der Hand und zielte damit direkt auf Billy.
    »Das ist bloß ein Spielzeug«, sagte Billy, aber seine Stimme war ein bisschen zittrig.
    »Nein, der ist echt!«, rief ich. »Das ist der Revolver von meinem Dad!«
    »Mir doch egal«, sagte er, »sie hat ja doch nicht die Traute zu schießen.«
    »Das wirst du schon sehen«, sagte Lori.
    »Na los«, sagte Billy. »Schieß doch.«
    Lori war im Schießen nicht so gut wie ich, aber sie richtete die Waffe so ungefähr in Billys Richtung und drückte ab. Bei dem Knall kniff ich die Augen fest zusammen, und als ich sie wieder öffnete, war Billy verschwunden.
    Wir rannten alle nach draußen, rechneten schon fast damit, Billys blutüberströmte Leiche dort liegen zu sehen, aber er hatte sich bloß unter das Fenster geduckt. Als er uns sah, flitzte er an den Gleisen entlang die Straße hinunter. Er kam ungefähr fünfzig Meter weit, dann fing er wieder an, uns mit dem Luftgewehr zu beschießen. Ich riss Lori den Revolver aus der Hand, zielte niedrig und schoss. Ich war zu aufgeregt, um die Waffe so zu halten, wie Dad es mir beigebracht hatte, und der Rückschlag kugelte mir fast die Schulter aus. Kurz vor Billy spritzte Staub auf. Er machte einen Riesensatz in die Luft und stürmte dann weiter.
    Wir mussten alle lachen, aber es kam uns nur wenige Sekunden lustig vor, dann standen wir einfach nur da und starrten uns schweigend an. Ich merkte, dass meine Hand so heftig zitterte, dass ich den Revolver kaum noch halten konnte.
    Kurz darauf hielt ein Streifenwagen vor dem Bahnhof, und Mom und Dad stiegen aus. Ihre Gesichter waren ernst. Außerdem stieg ein Officer aus und kam mit ihnen zusammen zur Haustür. Wir Kinder saßen auf den Bänken und hatten eine höfliche, respektvolle Miene aufgesetzt. Der Officer sah uns nacheinander an, als würde er uns zählen. Ich faltete die Hände im Schoß, damit er sah, wie gut erzogen ich war.
    Dad hockte sich vor uns hin, ein Knie auf dem Boden, die Hände über dem anderen Knie gefaltet, wie ein Cowboy. »Also, was war hier los?«, fragte er.
    »Es war Notwehr«, erklärte ich. Dad hatte immer gesagt, Notwehr sei ein berechtigter Grund, auf jemanden zu schießen.
    »Verstehe«, sagte Dad.
    Der Polizist sagte, ein paar Nachbarn hätten gemeldet, dass Kinder mit Waffen aufeinander schössen, und er wollte wissen, was passiert war. Wir erzählten, dass Billy angefangen hatte, dass wir provoziert worden waren und uns nur verteidigt und noch nicht mal richtig gezielt hatten, aber die Einzelheiten interessierten ihn nicht. Er sagte Dad, dass die ganze Familie am nächsten Morgen vor Gericht erscheinen müsse. Billy Deel und sein Vater würden auch da sein. Der Richter würde der Sache auf den Grund gehen und über entsprechende Maßnahmen entscheiden.
    »Werden wir weggeschickt?«, fragte Brian den Officer.
    »Das muss der Richter entscheiden«, sagte der.
    Am Abend flüsterten Mom und Dad oben lange miteinander, während wir Kinder in unseren Kartons lagen. Schließlich kamen sie mitten in der Nacht herunter, und ihre Gesichter waren noch immer ernst.
    »Wir fahren nach Phoenix«, sagte Dad.
    »Wann?«, fragte ich.
    »Heute Nacht.«
    Dad erlaubte jedem von uns, ein Teil mit nach Phoenix zu nehmen. Ich rannte mit einer Papiertüte nach draußen, um meine Lieblingssteine

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