Schloss aus Glas
Dad zählt nicht. Einen, mit dem du nicht verwandt bist. Und du musst die Augen zuhaben. Es zählt nicht, wenn du die Augen nicht zuhast.«
Ich erwiderte, das wäre so ziemlich das Blödeste, was ich je gehört hätte. Wenn man die Augen zuhätte, könnte man ja gar nicht sehen, wen man küsste.
Billy sagte, es gäbe zwischen Männern und Frauen so einiges, was ich nicht wüsste. Er sagte, manche Männer würden Frauen mit dem Messer erstechen, während sie sie küssen, besonders, wenn die Frauen gemein wären und nicht geküsst werden wollten. Aber das, so sagte er, würde er niemals mit mir machen. Er schob sein Gesicht dicht an meins.
»Mach die Augen zu«, sagte er.
»Ich denk nicht dran«, sagte ich.
Billy quetschte sein Gesicht gegen meins, packte mich an den Haaren, zog meinen Kopf zur Seite und steckte seine Zunge in meinen Mund. Sie war schleimig und widerlich, aber als ich zurückweichen wollte, schob er sie noch tiefer hinein. Je mehr ich mich sträubte, desto fester drückte er sich gegen mich, bis er schließlich auf mir lag und ich spürte, wie seine Finger an meinen Shorts zerrten. Mit der anderen Hand machte er sich die Hose auf. Um ihn aufzuhalten, schob ich meine Hand nach unten, und als ich dort etwas berührte, wusste ich, was es war, obwohl ich noch nie einen berührt hatte.
Ich konnte ihm nicht mein Knie in den Schritt rammen, wie Dad es mir eingeschärft hatte, falls ein Mann mich angriff, weil seine Beine zwischen meinen Knien waren, also biss ich ihm ganz fest ins Ohr. Es musste wehgetan haben, denn er schrie auf und schlug mir ins Gesicht. Blut quoll mir aus der Nase.
Die anderen Kinder hörten den Lärm und kamen angerannt. Die Schuppentür ging auf, Billy und ich krabbelten raus und zupften unsere Kleidung zurecht.
»Ich hab Jeannette geküsst!«, rief Billy.
»Stimmt ja gar nicht!«, sagte ich. »Er ist ein Lügner! Wir haben uns nur gezankt, mehr nicht.«
Er war wirklich ein Lügner, sagte ich mir den Rest des Tages. Ich hatte ihn nicht richtig geküsst, oder zumindest zählte es nicht. Ich hatte die ganze Zeit die Augen aufgehabt.
Am nächsten Tag ging ich mit dem Ring zu Billy Deel nach Hause. Ich fand ihn in einem ausrangierten Auto hinter der Hütte. Der rote Lack war in der Wüstensonne ausgebleicht und hatte sich entlang der verrosteten Zierleisten orange verfärbt. Die Reifen waren schon lange platt, und das schwarze Stoffdach war verschlissen. Billy saß auf dem Fahrersitz, machte brummende Motorgeräusche und tat so, als betätigte er einen imaginären Schaltknüppel.
Ich stellte mich daneben und wartete einen Moment darauf, dass er mich zur Kenntnis nahm. Er tat es nicht, deshalb sprach ich als Erste. »Ich will nicht deine Freundin sein«, sagte ich. »Und deinen Ring will ich auch nicht mehr.«
»Mir egal«, sagte er. »Ich will ihn auch nicht.« Er starrte stur geradeaus durch die gesprungene Windschutzscheibe. Ich schob den Arm durch das offene Fenster, ließ den Ring in seinen Schoß fallen, drehte mich um und ging. Ich hörte, wie sich hinter mir die Autotür mit einem Klicken öffnete und wieder zufiel. Ich ging weiter. Dann spürte ich einen spitzen Schmerz am Hinterkopf, als ob mich ein kleiner Stein getroffen hätte. Billy hatte mir den Ring hinterhergeworfen. Ich ging trotzdem weiter.
»Weißt du was?«, brüllte Billy. »Ich hab dich vergewaltigt.«
Ich drehte mich um und sah ihn neben dem Auto stehen. Er wirkte gekränkt und wütend, aber nicht so groß wie sonst. Ich suchte nach einer passenden Antwort, aber da ich nicht wusste, was »vergewaltigen« bedeutete, fiel mir bloß ein: »Na und?«
Zu Hause schlug ich das Wort »vergewaltigen« nach. Dann schlug ich die Wörter nach, mit denen es erklärt wurde, verstand die Bedeutung aber noch immer nicht richtig, nur dass es nichts Gutes war. Normalerweise fragte ich Dad, wenn ich ein Wort nicht verstand, und wir lasen uns dann die Definition durch und sprachen darüber. Diesmal tat ich das nicht. Ich hatte so das Gefühl, dass es Probleme geben würde.
Am nächsten Tag waren Lori, Brian und ich zu Hause. Wir saßen an einem der Spulentische, spielten Poker und passten auf Maureen auf, während Mom und Dad sich ein bisschen im Owl Club amüsierten. Wir hörten, wie Billy Deel draußen meinen Namen rief. Lori sah mich an, und ich schüttelte den Kopf. Wir wandten uns wieder unseren Karten zu, doch Billy schrie immer wieder, sodass Lori schließlich auf die Veranda ging, den ehemaligen Bahnsteig, wo die
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