Schloss aus Glas
einzupacken. Als ich zurückkam, schob ich meine Hand unter die schwere Tüte, damit sie nicht riss. Dad und Brian stritten sich wegen des Halloween-Kürbisses aus Plastik mit den grünen Plastiksoldaten drin, den Brian mitnehmen wollte.
»Du willst Spielsachen mitnehmen?«, fragte Dad.
»Du hast gesagt, dass ich ein Teil mitnehmen darf, und das ist mein Teil«, sagte Brian.
»Das hier ist mein Teil«, sagte ich und hielt die Tüte hoch. Lori, die den Zauberer von Oz mitnehmen wollte, wandte ein, dass eine Steinsammlung nicht ein Teil, sondern viele Teile wäre, so, als würde sie eine ganze Büchersammlung mitnehmen. Ich wies daraufhin, dass Brians Soldaten auch eine Sammlung waren. »Und außerdem ist es gar nicht die ganze Sammlung«, widersprach ich. »Bloß die besten Steine.«
Obwohl Dad normalerweise gern über solche Dinge redete wie, ob eine Tüte mit Sachen ein Teil ist, war er diesmal nicht in der richtigen Stimmung, und er sagte zu mir, die Steine wären zu schwer. »Du kannst einen mitnehmen«, sagte Dad.
»In Phoenix gibt es ganz viele Steine«, fügte Mom hinzu.
Ich suchte mir eine Geode aus, die innen mit winzigen weißen Kristallen überzuckert war, und hielt sie mit beiden Händen fest. Als wir losfuhren, schaute ich durch das Rückfenster, um einen letzten Blick vom Bahnhof zu erhaschen. Dad hatte das Licht im ersten Stock brennen lassen, und das kleine Fenster leuchtete. Ich dachte an all die anderen Familien von Bergleuten und Goldsuchern, die in der Hoffnung, Gold zu finden, nach Battie Mountain gekommen waren, und wie wir die Stadt verlassen müssten, als das Glück sie im Stich ließ. Dad sagte, er glaubte nicht an Glück, aber ich glaubte daran. In Battie Mountain hatten wir eine Glückssträhne gehabt, und ich hätte mir gewünscht, sie hätte etwas länger angehalten.
Wir kamen am Green Lantern vorbei, wo die Weihnachtslämpchen über der Tür blinkten, und am Owl Club mit der blinzelnden Neoneule unter der Kochmütze, und dann waren wir draußen in der Wüste, und die Lichter von Battie Mountain verschwanden hinter uns. In der pechschwarzen Nacht gab es nichts zu sehen außer der Straße vor uns, die von den Scheinwerfern erhellt wurde.
Das grosse weisse Haus von Grandma Smith hatte hohe Verandatüren, grüne Fensterläden und war von Eukalyptusbäumen umstanden. Drinnen gab es Perserteppiche und einen riesigen Flügel, der regelrecht tanzte, wenn Grandma auf ihm ihre Kneipenmusik in die Tasten schlug. Immer wenn wir bei Grandma Smith wohnten, ging sie mit mir in ihr Schlafzimmer und setzte mich vor den Frisiertisch, auf dem eine Unmenge kleiner pastellfarbener Parfümfläschchen und Puderdosen stand. Während ich die Fläschchen öffnete und daran roch, versuchte sie sich mit ihrem langen Metallkamm durch meine Haare zu arbeiten. Dabei fluchte sie gepresst, weil es so verfilzt war. »Kämmt dir deine stinkfaule Mutter denn nie die Haare?«, fragte sie einmal. Ich erklärte ihr, dass Mom der Überzeugung sei, Kinder sollten sich allein um ihre Körperpflege kümmern. Grandma sagte, mein Haar wäre ohnehin zu lang. Sie stülpte mir eine Schüssel über den Kopf, schnitt alle Haare ab, die darunter hervorschauten, und sagte dann, ich sähe aus wie ein »Flapper«, wie die wilden Frauen der zwanziger Jahre.
Genau wie Grandma früher. Bevor sie Grandpa heiratete, war sie ein Flapper. Als sie dann zwei Kinder bekommen hatte, Mom und Onkel Jim, wurde sie Lehrerin, weil sie die Erziehung der Kinder niemand anders anvertrauen wollte. Sie unterrichtete an einer Zwergschule in einem Ort namens Yampi. Mom war todunglücklich darüber, die Tochter der Lehrerin zu sein. Sie war auch todunglücklich darüber, dass ihre Mutter dauernd an ihr herumkritisierte, sowohl zu Hause als auch in der Schule. Grandma Smith hatte ganz klare Vorstellungen, wie etwas getan werden musste - wie man sich anzog, wie man redete, wie man seine Zeit einteilte, wie man kochte und den Haushalt machte, wie man seine Finanzen regelte -, und sie und Mom bekämpften einander von Anfang an. Mom fand, dass Grandma Smith an ihr herumnörgelte und sie schikanierte, die Regeln festlegte und die Strafen für Verstöße gegen diese Regeln bestimmte. Es machte Mom wahnsinnig, wie sie sagte, und es war der Grund, warum sie für uns nie irgendwelche Regeln festlegte.
Aber ich liebte Grandma Smith. Sie war eine große, ledrige, breitschultrige Frau mit grünen Augen und kräftigem Kinn. Sie sagte mir, ich wäre ihre
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