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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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Indianerpfeil durch«, sagte ich zu Brian.
    Wir Kinder rannten durchs Haus und zählten vierzehn Räume, wenn man die Küchen und Bäder mitrechnete. Sie waren voll mit den Sachen, die Mom von Grandma Smith geerbt hatte: einem dunklen spanischen Esstisch mit acht passenden Stühlen, einem Klavier mit Schnitzereien, Anrichten mit silbernen Servierbestecken und Glasschränken mit Grandmas feinstem Porzellan, dessen erlesene Qualität Mom uns demonstrierte, indem sie einen Teller gegen das Licht hielt und uns die deutlich durchschimmernde Silhouette ihrer Hand zeigte.
    Im Vorgarten stand eine Palme, und hinterm Haus wuchsen Orangenbäume mit richtigen Orangen dran. Wir hatten noch nie in einem Haus mit Bäumen gewohnt. Die Palme mochte ich besonders, weil sie mir das Gefühl gab, in einer Art Oase angekommen zu sein. Es gab auch Stockrosen und Oleanderbüsche mit rosa und weißen Blüten. Am Ende des Gartens stand ein Schuppen, der so groß war wie manche der Häuser, in denen wir gelebt hatten, und neben dem Schuppen war ein Parkplatz, auf den zwei Autos passten. Es ging eindeutig bergauf mit uns.
    Die Menschen, die an der North Third Street lebten, waren überwiegend Mexikaner und Indianer, die sich hier angesiedelt hatten, nachdem die Weißen in die Vorstädte gezogen waren und die großen alten Villen in Apartmenthäuser umgebaut hatten. In jedem dieser Häuser wohnten unglaublich viele Menschen: Männer, die Bier aus in Papiertüten versteckten Flaschen tranken, junge Mütter, die ihre Babys stillten, alte Ladys, die sich auf schiefen, verwitterten Veranden sonnten, und Scharen von Kindern.
    Alle Kinder aus dieser Gegend gingen auf die katholische Schule der St.-Mary's-Kirche, etwa fünf Querstraßen weiter. Mom meinte jedoch, Nonnen wären Spielverderber, die einem glatt den Spaß an der Religion vermiesen konnten. Sie wollte uns auf eine staatliche Schule namens Emerson schicken. Wir wohnten zwar außerhalb des Einzugsbereichs, aber Mom beschwatzte den Schulleiter so lange, bis er schließlich nachgab und uns aufnahm.
    Der Schulbus kam nicht bei uns vorbei, und zur Schule war es ein ordentliches Stück zu Fuß, aber das machte uns nichts aus. Emerson lag in einer schicken Gegend, wo die Straßen von Eukalyptusbäumen beschattet wurden, und das Schulgebäude mit dem roten Terracottadach sah aus wie eine spanische Hazienda. Drum herum standen Palmen und Bananenbäume, und zwei Mal im Jahr, wenn die Bananen reif waren, bekamen alle Schüler zum Lunch welche umsonst. Der Pausenhof von Emerson hatte keinen Asphalt- oder Sandboden, sondern war mit sattem grünem Gras bedeckt, das von einer Sprinkleranlage bewässert wurde, und mit allem ausgestattet, was das Herz begehrte: Wippen, Schaukeln, einem Karussell, einem Klettergerüst, einem Völkerballfeld und einer Laufbahn.
    Miss Shaw, die Lehrerin der dritten Klasse, in die ich ging, hatte stahlgraues Haar, eine ovale Brille und einen strengen Mund. Als ich ihr sagte, dass ich alle Bücher von Laura Ingalls Wilder gelesen hatte, zog sie skeptisch die Augenbrauen hoch, aber nachdem ich ihr aus einem vorgelesen hatte, steckte sie mich in die Lesegruppe für besonders begabte Kinder.
    Auch Lori und Brian wurden von ihren Lehrerinnen in die Begabtengruppe versetzt. Brian passte das gar nicht, weil die anderen Kinder alle älter waren und er auf einmal der Kleinste in der Klasse war, aber Lori und ich waren insgeheim begeistert, als etwas Besonderes behandelt zu werden. Aber statt zuzugeben, dass wir uns freuten, spielten wir es herunter. Als wir Mom und Dad von unseren Lesegruppen erzählten, machten wir vor dem Wort »begabt« eine Kunstpause, verschränkten die Hände unterm Kinn, klimperten mit den Wimpern und setzten eine brave Miene auf.
    »Macht euch nicht darüber lustig«, sagte Dad. »Natürlich seid ihr was Besonderes. Das hab ich doch schon immer gesagt.«
    Brian warf Dad einen schrägen Blick zu. »Wenn wir so was Besonderes sind«, sagte er langsam, »warum hast du dann ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Was denn?«, fragte Dad. »Was?«
    Brian schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte er.
    Emerson hatte sogar eine eigene Krankenschwester, die mit uns dreien einen Seh- und Hörtest machte, die ersten in unserem Leben. Ich bestand die Tests mit Spitzenergebnissen -»Adleraugen und Elefantenohren«, sagte die Krankenschwester -, aber Lori hatte Probleme beim Sehtest. Die Schwester stellte bei ihr eine starke Kurzsichtigkeit fest und teilte Mom schriftlich

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