Schloss aus Glas
ich bewahrte in meiner Kiste die Geode auf.
Der dritte Raum in dem Haus an der Little Hobart Street 93, die Küche, war eine Klasse für sich. Es gab zwar einen Elektroherd, aber die Elektroinstallationen in dem Raum entsprachen nicht ganz den Vorschriften, mit ihren defekten Steckern, blank liegenden Leitungen und surrenden Schaltern. »In dieser Hütte sind die Leitungen bestimmt von einem Blinden verlegt worden«, stellte Dad fest. Und er kam zu dem Schluss, dass sich eine Reparatur nicht lohnte, weil das Problem zu kompliziert war.
Wir nannten die Küche das Kriechstrom-Zimmer, weil wir, wenn wir tatsächlich mal die Rechnung bezahlt hatten und der Strom angestellt war, immer einen heftigen Stromschlag kriegten, sobald wir eine Fläche berührten, die feucht oder aus Metall war. Als ich das erste Mal eine gewischt bekam, blieb mir die Luft weg, und ich lag zuckend auf dem Boden. Wir gewöhnten uns bald an, jedes Mal, wenn wir uns in die Küche wagten, möglichst trockene Socken zu tragen oder Lappen um die Hände zu wickeln. Wenn wir wieder einen Schlag bekamen, verkündeten wir das dem Rest der Familie im Stil eines Wetterberichts. »Heute Mordsschlag vom Herd bekommen«, sagten wir beispielsweise. »Zusätzliche Lappen empfohlen.«
Die Küchendecke war in einer Ecke so undicht wie ein Sieb. Bei jedem Regen quoll die Gipsplatte auf und warf eine Beule, aus deren Mitte ein gleichmäßiger Strahl Wasser rann. Als es in dem Frühjahr einmal richtig heftig regnete, wurde die Decke so dick, dass sie platzte und Wasser und Gipsplattenstücke auf den Boden prasselten. Dad reparierte die Stelle nicht. Wir Kinder versuchten, das Dach mit Teerpappe, Alufolie, Holz und Klebstoff abzudichten, doch das Wasser fand immer seinen Weg hindurch, bis wir schließlich kapitulierten und es bei jedem Regen auch in unserer Küche regnete.
Am Anfang versuchte Mom, das Leben in der Little Hobart Street 93 wie ein Abenteuer darzustellen. Die Frau, die vor uns hier gewohnt hatte, hatte eine altmodische Nähmaschine zurückgelassen, die noch mit einem Tretpedal angetrieben wurde. Mom meinte, das wäre sehr praktisch, weil wir uns unsere Anziehsachen selbst nähen könnten, auch wenn der Strom abgestellt war. Sie behauptete außerdem, wir brauchten keine Schnittmuster, wir könnten uns einfach etwas einfallen lassen und loslegen. So kam es, dass Mom, Lori und ich kurz nach unserem Einzug gegenseitig bei uns Maß nahmen und versuchten, unsere eigenen Kleider zu nähen.
Es dauerte ewig, und die Ergebnisse fielen sackartig und schief aus, mit unterschiedlich langen Ärmeln und Armlöchern auf dem Rücken. Ich bekam mein Kleid gar nicht über den Kopf, bis Mom eine Naht ein Stück auftrennte. »Es ist hinreißend!«, erklärte sie. Aber ich erwiderte, ich sähe aus, als trüge ich einen Kissenbezug mit Elefantenrüsseln an den
Seiten. Lori weigerte sich, ihr Kleid draußen anzuziehen, und war nicht mal bereit, es drinnen zu tragen. Schließlich räumte Mom ein, dass Nähen nicht die beste Einsatzmöglichkeit für unsere kreativen Energien sei - oder für unser Geld. Der billigste Stoff, den wir finden konnten, kostete 97 Cent der Meter, und man brauchte über zwei Meter für ein Kleid. Da waren Secondhand-Klamotten billiger, und die hatten noch dazu die Armlöcher an den richtigen Stellen.
Mom bemühte sich auch, das Haus wohnlicher zu machen. Sie dekorierte das Wohnzimmer mit ihren Ölgemälden, und schon bald war jeder Quadratzentimeter der vier Wände bedeckt. Nur der Platz über ihrer Schreibmaschine blieb den Karteikarten mit Ideen für Geschichten vorbehalten. Wir hatten leuchtende Sonnenuntergänge in der Wüste, galoppierende Pferde, schlafende Katzen, schneebedeckte Berge, Obstschalen, blühende Blumen und Porträts von uns Kindern.
Da der Platz an den Wänden nicht für Moms gesammelte Werke ausreichte, nagelte Dad lange Halterungen an die Wand, und Mom hängte ein Bild vor das andere, bis drei oder vier hintereinander hingen. Ab und zu hängte sie die Bilder um. »Ich dekoriere nur ein bisschen um, damit wir's nett haben«, sagte sie dann. Aber ich hatte den Verdacht, dass ihre Bilder für sie wie Kinder waren, und sie wollte ihnen das Gefühl geben, alle gleich zu behandeln.
Mom befestigte auch kleine Regalbretter vor den Fenstern und stellte bunt gefärbte Flaschen darauf. »Jetzt sieht es aus, als hätten wir Buntglasscheiben«, erklärte sie. Und das stimmte gewissermaßen auch, aber das Haus blieb trotzdem kalt und
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