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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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versuchte sie mit dem Stiel zu erwischen, aber sie wich geschickt aus. Brian holte einen Baseballschläger, und mit vereinten Kräften gelang es uns, das zischende und schnappende Tier in eine Ecke zu manövrieren.
    Unser Hund Tinkle, der Jack-Russell-Terrier-Mischling, der Brian eines Tages nach Hause gefolgt war, bekam die Ratte zu packen und schlug sie auf den Boden, bis sie tot war. Als Mom ins Zimmer gelaufen kam, stolzierte Tinkle mit stolzgeschwellter Brust umher, als wäre er der mutigste Bestientöter der Welt. Mom tat die Ratte ein bisschen Leid. »Auch Ratten müssen essen«, stellte sie klar. Obwohl das Tier tot war, hatte es einen Namen verdient, meinte sie, und sie taufte den Nager Rufus. Brian hatte gelesen, dass primitive Krieger Körperteile ihrer Opfer auf Pfähle spießten, um ihre Feinde abzuschrecken, und so hängte er Rufus am nächsten Morgen mit dem Schwanz an eine Pappel vor unserem Haus. Am selben Nachmittag hörten wir Schüsse. Mr. Freeman, unser Nachbar von nebenan, hatte die Ratte kopfüber im Baum hängen sehen. Rufus war so groß, dass Mr. Freeman ihn für ein Opossum gehalten, seine Jagdflinte geholt und ihn glatt vom Baum geschossen hatte. Ein verstümmeltes Stück Schwanz war das Einzige, was von Rufus übrig blieb.
    Nach dem Rufus-Zwischenfall schlief ich mit einem Baseballschläger im Bett. Brian schlief mit einer Machete in seinem. Und Maureen konnte fast gar nicht mehr ruhig schlafen. Sie träumte ständig, dass sie von Ratten aufgefressen wurde, und sie ließ sich jeden erdenklichen Vorwand einfallen, um bei Freundinnen übernachten zu dürfen. Mom und Dad taten den Rufus-Zwischenfall als Bagatelle ab. Sie sagten, wir hätten schon gegen grimmigere Gegner gekämpft und würden es irgendwann wieder tun.
    »Aber was soll mit der Müllgrube werden?«, fragte ich. »Die ist fast voll.«
    »Vergrößern«, sagte Mom.
    »Wir können nicht ständig unseren ganzen Müll da abladen«, sagte ich. »Was sollen denn die Leute denken?«
    »Das Leben ist zu kurz, um sich darum zu scheren, was andere Leute denken«, sagte Mom. »Und überhaupt, sie sollten uns so akzeptieren, wie wir sind.«
    Ich war überzeugt, dass die Leute uns etwas mehr akzeptieren würden, wenn wir uns bemühten, Little Hobart Street 93 ein wenig zu verschönern. Und das musste nicht mal viel kosten. Manche Leute in Welch hatten Autoreifen zu zwei Halbkreisen zerschnitten, sie weiß angemalt und als Randbegrenzung für ihre Gärten benutzt. Vielleicht konnten wir es uns im Augenblick noch nicht leisten, das Schloss aus Glas zu bauen, aber wir konnten doch bestimmt unseren Vorgarten mit angemalten Autoreifen umsäumen, damit er netter aussah. »Dann wären wir ein bisschen wie die anderen«, flehte ich Mom an.
    »Da hast du Recht«, sagte Mom. Aber in Welch hatte sie keinerlei Interesse, so zu sein wie die anderen. »Ich habe lieber einen Garten voll mit echtem Müll als einen mit kitschigen Rasenverzierungen.«
    Ich suchte nach anderen Verbesserungsmöglichkeiten. Eines Tages brachte Dad einen Zwanziglitereimer Fassadenfarbe mit nach Hause, der bei einem seiner Gelegenheitsjobs übrig geblieben war. Am nächsten Morgen hebelte ich den Eimer auf. Er war fast randvoll mit leuchtend gelber Farbe. Dad hatte auch ein paar Pinsel mitgebracht. Ein gelber Anstrich, so wurde mir klar, würde unser schäbiges graues Haus völlig verwandeln. Dann sähe es zumindest von außen fast so aus wie die Häuser, in denen andere Leute wohnten.
    Die Aussicht, in einem strahlend gelben Haus zu wohnen, begeisterte mich dermaßen, dass ich in dieser Nacht kaum schlafen konnte. Am nächsten Tag stand ich früh auf, band mir die Haare zusammen und wollte mich frisch ans Werk
    machen. »Wenn wir alle mithelfen, sind wir in ein bis zwei Tagen fertig«, sagte ich zu den anderen.
    Aber Dad sagte, Little Hobart Street 93 sei doch eine rettungslose Bruchbude, für die wir weder Zeit noch Energie verschwenden sollten, die sollten wir lieber für das Glasschloss aufsparen. Mom sagte, sie fände leuchtend gelbe Häuser geschmacklos. Brian und Lori meinten, wir bräuchten Leitern und ein Gerüst und wir hätten beides nicht.
    Dad kam mit dem Glasschloss nicht weiter, und ich wusste, dass der Eimer mit gelber Farbe einfach auf unserer Veranda vergammeln würde, wenn ich mich nicht selbst an die Arbeit machte. Eine Leiter würde ich mir borgen oder selbst bauen, beschloss ich. Ich war sicher, dass die anderen mitmachen würden, wenn sie erst sahen, wie die

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