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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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fünfundsiebzig Dollar im Monat kosten, was unsere finanziellen Möglichkeiten überstieg. Außerdem wollten Mom und Dad ein Haus mit Garten haben, also beschlossen sie, etwas zu kaufen. Da wir weder Geld für eine Anzahlung hatten noch über ein regelmäßiges Einkommen verfügten, war unser Spielraum ziemlich begrenzt, doch schon nach wenigen Tagen verkündeten Mom und Dad, dass sie tatsächlich ein Haus gefunden hatten, das wir uns leisten konnten. »Es ist nicht gerade ein Palast, deshalb müssen wir etwas zusammenrücken«, sagte Mom. »Und es ist ein bisschen rustikal.«
    »Wie rustikal?«, wollte Lori wissen.
    Mom zögerte. Ich sah ihr an, dass sie nach einer guten Formulierung suchte. »Es hat keine Sanitärinstallationen«, sagte sie.
    Dad hatte noch immer keinen Ersatz für das Oldsmobile gefunden - unser Budget dafür lag im oberen zweistelligen Bereich -, deshalb machten wir uns am Wochenende alle zu Fuß auf, um unser neues Zuhause in Augenschein zu nehmen. Wir marschierten durch das Stadtzentrum im Tal und um einen Berghang herum, vorbei an kleinen, hübschen Ziegelhäusern, die gebaut worden waren, nachdem die Bergarbeiter sich gewerkschaftlich organisiert hatten. Wir überquerten einen Bach, der in den Tug mündete, und folgten einer schlecht asphaltierten kleinen Straße namens Little Hobart Street. Sie führte eine Zeit lang hoch und runter und stieg an einer Stelle so steil an, dass man auf den Fußballen laufen musste; wenn man versuchte, den ganzen Fuß aufzusetzen, überdehnte man sich schmerzhaft die Waden.
    Die Häuser hier oben waren schäbiger als die Ziegelhäuser unten im Tal. Sie waren aus Holz, hatten schiefe Veranden, durchhängende Dächer, verrostete Regenrinnen und an den Wänden löchrige Teerpappe oder Asphaltschindeln, die sich
    langsam, aber sicher lösten. In fast jedem Vorgarten waren ein oder zwei Hunde an einen Baum oder einen Wäscheleinenpfahl gekettet, und sie bellten uns wütend an, als wir vorbeigingen. Man sah, dass in allen Häusern mit Kohle geheizt wurde. Die etwas besser gestellten Familien hatten einen Kohlenschuppen, die ärmeren ließen die Kohlenhaufen draußen liegen. Die Veranden waren wahrscheinlich genauso möbliert wie das Innere der meisten Häuser selbst: mit rostfleckigen Kühlschränken, Klapptischchen, Knüpfteppichen, Sofas oder Autositzen für längere Aufenthalte und gelegentlich einem ausrangierten Schrank, in dessen Seite ein Loch gesägt worden war, damit die Katze ein gemütliches Schlafplätzchen hatte.
    Wir gingen fast bis ans Ende der Straße, und dann zeigte Dad zu unserem neuen Haus hinauf.
    »So, Kinder, darf ich vorstellen: Little Hobart Street 93!«, sagte Mom. »Willkommen in eurem neuen Zuhause.«
    Wir glotzten. Das Haus war eher eine mickrige, kleine Hütte, die oberhalb der Straße an einem so steilen Hang hing, dass nur die Rückseite festen Boden unter sich hatte. Die Vorderseite, einschließlich einer schiefen Veranda, ragte bedenklich in die Luft und wurde von hohen, dünnen Pfählen aus Zementblöcken gestützt. Vor langer Zeit war das Häuschen mal weiß gestrichen worden, doch die Farbe hatte, soweit nicht schon völlig abgeblättert, ein tristes Grau angenommen.
    »Gut, dass wir euch Kinder dazu erzogen haben, hart im Nehmen zu sein«, sagte Dad. »Es ist nämlich kein Haus für zaghafte Gemüter.«
    Dad ging uns voran die unteren Stufen hinauf, die aus Steinen bestanden, zwischen die Zement geklatscht worden war. Da sie teils unterspült und abgesackt und überhaupt schlampig verlegt waren, neigten sie sich gefahrlich zur Straße hin. Wo die Steinstufen aufhörten, gelangte man über eine wacklige Treppe aus Vierkanthölzern - eigentlich mehr Leiter als Treppe - auf die Veranda.
    Das Haus hatte drei Räume, jeder etwa drei mal drei Meter groß, die auf die Vorderveranda gingen. Ein Bad gab es nicht, aber unterhalb des Hauses, hinter einer der Zementblocksäulen, befand sich ein schrankgroßer Raum mit einer Kloschüssel auf dem Zementboden. Die Kloschüssel war nicht mit der Kanalisation oder einer Faulanlage verbunden. Sie stand einfach über einem rund ein Meter achtzig tiefen Loch. Das Haus hatte kein fließendes Wasser, zumindest nicht drinnen. Nicht weit von der Toilette entfernt ragte draußen ein Wasserhahn aus dem Boden, sodass man einen Eimer füllen und nach oben schleppen konnte. Und obwohl das Haus ans Elektrizitätsnetz angeschlossen war, konnten wir es uns im Moment nicht leisten, den Strom anstellen zu lassen,

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