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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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diesem Sommer hielt er mich noch immer für seinen größten Fan, was vermutlich auch stimmte, da es sonst keinen Anwärter gab.
    An einem Nachmittag im Juni saßen Dad und ich auf der Veranda, ließen die Beine über den Rand baumeln und schauten auf die Häuser unter uns. In jenem zweiten Sommer war es so heiß, dass ich kaum richtig Luft bekam. Es war heißer als in Phoenix oder Battie Mountain, wo die Temperaturen regelmäßig auf vierzig Grad kletterten. Als Dad sagte, wir hätten bloß zweiunddreißig Grad, sagte ich, dass das Thermometer kaputt sein müsse. Aber er erklärte mir, wir seien trockene Wüstenhitze gewohnt und das hier sei feuchte Hitze.
    Noch viel heißer, sagte Dad, sei es unten im Tal auf der Stewart Street, die von diesen hübschen Backsteinhäusern gesäumt wurde, mit ihren ordentlichen, viereckigen Rasen und einem mit Aluminium überdachten Weg zur Garage. Die Täler schlossen die Hitze ein, sagte Dad. Unser Haus lag am Berghang am höchsten und war ergo die kühlste Stelle in Welch. Auch bei Überschwemmungen war es - wie wir gesehen hatten - am sichersten. »Du hättest wohl nicht gedacht, dass ich mir so viele Gedanken darüber gemacht habe, wo wir am besten wohnen, was?«, fragte er mich. »Bei Immobilien kommt es auf drei Dinge an, Bergziege: die Lage, die Lage, die Lage.«
    Dad fing an zu lachen. Es war ein lautloses Lachen, das seine Schultern beben ließ, und je mehr er lachte, desto komischer fand er es, und er lachte noch heftiger. Ich musste
    auch lachen, und schließlich kriegten wir uns beide nicht mehr ein. Wir lagen auf dem Rücken, Tränen liefen uns über die Wangen, und wir trampelten mit den Füßen auf die Veranda. Wenn uns die Puste ausging und wir Seitenstiche hatten und dachten, der Lachanfall wäre vorüber, fing einer von uns wieder an und riss den anderen mit, und dann kreischten wir am Ende wieder wie die Hyänen.
    Die größte Erleichterung von der Hitze fanden die Kinder von Welch im Freibad unten an den Eisenbahnschienen neben der Esso-Tankstelle. Brian und ich waren einmal schwimmen gewesen, aber Ernie Good und seine Freunde waren dort, und sie erzählten jedem, dass wir Walls im Müll lebten und von uns das Wasser im Becken fürchterlich stinken würde. Das war Ernie Goods Rache für die verlorene »Schlacht auf der Little Hobart Street«. Einer von seinen Freunden hatte irgendwo den Ausdruck »Gesundheitsepidemie« aufgeschnappt, und sie redeten auf die Eltern und Bademeister ein, wir müssten Badeverbot kriegen, damit im Freibad keine Gesundheitsepidemie ausbrach. Brian und ich beschlossen zu gehen. Als wir das Freibad verließen, kam Ernie Good an den Zaun gerannt. »Haut ab nach Hause auf eure Müllhalde!«, rief er. »Haut ab und lasst euch nie wieder hier blicken!«
    Eine Woche später, als es noch immer so heiß war, traf ich zufällig Dinita Hewitt in der Stadt. Sie kam vom Schwimmen und trug die nassen Haare nach hinten gekämmt unter einem Kopftuch. »Mann, war das Wasser eine Wohltat«, sagte sie und zog das Wort »Wohltat« so in die Länge, als hätte es an die fünfzehn »Os«. »Gehst du nie schwimmen?«
    »Die wollen uns da nicht haben«, sagte ich.
    Dinita nickte, obwohl ich nicht erklärt hatte, was ich meinte. Dann sagte sie: »Komm doch morgens mit uns schwimmen.«
    Mit »uns« meinte sie natürlich die anderen Schwarzen. Es gab zwar keine Rassentrennung im Freibad, jeder konnte zu
    jeder Zeit schwimmen gehen, zumindest theoretisch, aber in der Praxis sah es so aus, dass alle Schwarzen morgens schwimmen gingen, wenn der Eintritt kostenlos war, und alle Weißen nachmittags, wenn der Eintritt fünfzig Gent kostete. Niemand hatte das so geplant, und es war auch nicht offiziell so geregelt. Es war einfach so.
    Natürlich wollte ich nichts lieber als wieder ins kühle Wasser, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich gegen eine Art Tabu verstoßen würde, wenn ich Dinitas Angebot annahm.
    »Wäre denn keiner sauer?«, fragte ich.
    »Weil du weiß bist?«, fragte sie. »Deine Leute vielleicht, aber wir nicht. Und deine Leute sind ja nicht da.«
    Am nächsten Morgen traf ich mich mit Dinita am Eingang des Freibads. Meinen Badeanzug aus dem Secondhand-Laden hatte ich in mein verschlissenes Handtuch eingerollt. Das weiße Mädchen im Kassenhäuschen sah mich verblüfft an, als wir durchs Tor gingen, aber es sagte nichts. Der Umkleideraum für Frauen war dunkel und roch nach Reinigungsmittel, die Wände waren aus Beton, und der Zementboden war

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