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Schloss aus Glas

Schloss aus Glas

Titel: Schloss aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanette Walls
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nass. Ein Tonbandgerät spielte ein Soul-Stück, und alle schwarzen Frauen, die sich zwischen den altersschwachen Holzbänken drängten, sangen und tanzten zu der Musik.
    In den Umkleideräumen, die ich bisher kennen gelernt hatte, hatten sich die weißen Frauen immer schamhaft ein Handtuch um die Hüfte gewickelt, bevor sie ihre Unterhose auszogen, hier aber waren die meisten Frauen splitternackt. Manche waren mager, mit knochigen Hüften und vorstehendem Schlüsselbein. Andere hatten dick gepolsterte Hintern und große, schwingende Brüste, und manche stießen beim Tanzen ihre Hintern aneinander, hoben die Brüste und berührten sich gegenseitig.
    Als die Frauen mich sahen, hörten sie sofort mit dem Tanzen auf. Eine von den Nackten kam zu mir und baute sich vor
    mir auf, Hände auf den Hüften, die Brüste so nah, dass ich schon fürchtete, ihre Brustwarzen würden mich berühren. Aber Dinita erklärte, dass ich zu ihr gehörte und in Ordnung war. Die Frauen blickten einander an und zuckten die Achseln.
    Ich war bald dreizehn und gehemmt, daher hatte ich vor, mir erst den Badeanzug unter dem Kleid an- und dann das Kleid auszuziehen, aber ich hatte Sorge, dass ich dadurch noch mehr auffallen würde, also holte ich tief Luft und zog mich aus. Dinita bemerkte sofort meine Narbe. Ich erzählte ihr, was mir mit drei Jahren passiert war, dass ich sechs Wochen im Krankenhaus gewesen war und Hauttransplantationen bekommen hatte und dass ich wegen der Narbe nie einen Bikini anzog. Dinita fuhr mit den Fingern leicht über das Narbengewebe.
    »Ist nicht so schlimm«, sagte sie.
    »He, Nitia!«, rief eine von den Frauen. »Deine weiße Freundin kriegt da unten ja rote Haare!«
    »Was denn sonst?«, sagte Dinita.
    »Stimmt«, sagte ich. »Der Kragen muss zu den Manschetten passen.«
    Den Spruch hatte ich schon mal von Dinita gehört. Sie schmunzelte, und alle Frauen kreischten vor Lachen. Eine von den Tänzerinnen stieß scherzhaft mit der Hüfte gegen mich. Ich fasste das als Willkommensgruß auf und erwiderte kess die Geste.
    Dinita und ich blieben den ganzen Vormittag im Becken, planschten, übten Rückenschwimmen und Schmetterling. Sie schlug beim Schwimmen fast genauso wild mit den Armen wie ich. Wir drehten uns unter Wasser, machten Handstand, sodass die Beine aus dem Wasser ragten, und schwammen und tauchten mit den anderen Kindern um die Wette. Wir machten Hocksprünge und Bauchplatscher vom Beckenrand und versuchten dabei, große Fontänen aufspritzen zu lassen, damit möglichst viele Leute, die am Becken saßen, nass wurden. Das blaue Wasser glitzerte und schäumte weiß auf. Als die kostenlose Badezeit um war, hatte ich schrumpelige Finger und Zehen und rote, brennende Augen von dem vielen Chlor, das man förmlich sehen konnte, weil es wie Dunst aus dem Becken aufstieg. Ich hatte mich noch nie im Leben so sauber gefühlt.
    Am Nachmittag desselben Tages war ich allein zu Hause, genoss noch immer das juckende, trockene Gefühl meiner chlorgetränkten Haut und das wackelige Gefühl in den Beinen, das man bekommt, wenn man viel Sport getrieben hat, als ich ein Klopfen an der Tür hörte. Das Geräusch schreckte mich auf. Wir kriegten fast nie Besuch in der Little Hobart Street 93. Ich öffnete die Tür einen Spalt und lugte hinaus. Ein Mann mit schütterem Haar stand auf der Veranda, mit einer Aktenmappe unter dem Arm. Irgendetwas an ihm verriet mir, dass er von einer Behörde kam - eine Sorte Mensch, die wir meiden sollten, wie wir von Dad gelernt hatten.
    »Sind deine Eltern da?«, fragte er.
    »Wer sind Sie denn?«, fragte ich zurück.
    Der Mann lächelte wie jemand, der schlechte Nachrichten beschönigen will. »Ich bin vom Jugendamt, und ich möchte mit Rex oder Rose Mary Walls sprechen«, sagte er.
    »Die sind nicht da«, sagte ich.
    »Wie alt bist du?«, fragte er.
    »Zwölf.«
    »Kann ich reinkommen?«
    Ich sah, dass er versuchte, einen Blick ins Haus zu werfen, und ich zog die Tür so weit zu, dass nur noch ein ganz schmaler Spalt offen war. »Mom und Dad würden nicht wollen, dass ich Sie reinlasse«, sagte ich. »Nicht ehe sie mit ihrem Anwalt gesprochen haben«, fügte ich hinzu, um Eindruck zu schinden. »Sagen Sie mir doch einfach, worum es geht, und ich richte es meinen Eltern aus.«
    Der Mann erklärte, jemand, dessen Namen er nicht nennen dürfe, habe das Jugendamt angerufen und eine Überprüfung der Zustände unseres Haushalts empfohlen, da der Verdacht auf Vernachlässigung minderjähriger Kinder

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